Bulletin Nr. 40; Dezember 2003
Entscheid über die Razzien in den Flüchtlingsunterkünften im Kanton Glarus
Die Vorgeschichte Am 3. Juli stürmte eine Sondereinheit der Glarner Polizei zwei Durchgangszentren und zwei Wohnungen von Asylsuchenden. Die Bewohner wurden an Händen und Füssen gefesselt, ihnen wurden Säcke über die Köpfe gestülpt, und teilweise wurden sie nackt fotografiert. Keinem der Betroffenen war bewusst, dass ihre Peiniger Polizeibeamte waren. Kaum bekleidet, weiterhin an Händen und Füssen gefesselt und mit dem Sack über dem Kopf wurden sie sechs Stunden festgehalten. Einigen Flüchtlingen wurde mit einem Klebeband der Mund zugeklebt, damit sie nicht sprechen konnten. Auf die von augenauf erhobenen Vorwürfen wegen Menschenrechtsverletzungen und Folter reagierte die Glarner Polizei mit Lügen: Sie habe Deliktsgut beschlagnahmt und das rechtfertige ihr Vorgehen. Auch wenn dies keine Rechtfertigung wäre - es entsprach nicht einmal der Wahrheit. Weiter hat die Polizei behauptet, dass sie das immer so mache. Auch davon ist nicht mehr die Rede. Auf Druck der Medienkampagne hat sich die Polizei im August selbst angezeigt, vier Betroffene haben mit unserer Unterstützung ebenfalls Anzeige eingereicht. (s. Bulletin Nr. 39) |
Systematische Unwissenheit der Polizei - 1997: Der Bericht des europäischen Komitees zur Verhinderung von Folter sagt: «Weiter muss betont werden, dass das Knebeln einer Person eine sehr gefährliche Massnahme ist.» - 1998: Auszug aus einem Dienstbefehl der Kantonspolizei Zürich: «Geknebelte Personen sind dauernd (Hervorhebung im Original) zu überwachen, und ihr Zustand muss regelmässig überprüft werden.» - 3. März 1999: Khaled Abuzarifa stirbt, weil ihm der Mund mit Klebeband zugeklebt wurde. - 2000: Der Bericht von Amnesty International warnt vor allen Methoden, welche die Atemwege blockieren. - 1. Mai 2001: Samson Chukwu stirbt in den Händen der Polizei an einer lagebedingten Erstickung. Das folgende Untersuchungsverfahren zeigt: Weder Polizeiinstruktoren noch Polizeischulen haben schon von dieser Gefahr gehört. - April 2002: Die KKJPD (Konferenz der Kantonalen Justiz- und PolizeidirektorInnen) erlässt Richtlinien für Ausschaffungen: «Die Atmung zurückzuführender Person darf nie und in keiner Weise behindert werden.» - Juli 2003: Die Glarner Kantonspolizei stellt das Verkleben des Mundes als «normale polizeiliche Massnahme» dar. - Dezember 2003: Verfahrenseinstellung im Glarner Fall: Die mehrfach erfolgte Gefährdung des Lebens wird nicht geahndet. Es wird ein Ausbildungsdefizit geortet. |
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