Bulletin Nr. 23; Dezember 1998
«Irrtümliche Verhaftung» in Zürich
Am letzten Montag fährt eine junge Mutter mit ihrem Auto in Zürich um einen
Häuserblock im Kreis 4 und sucht einen schattigen Parkplatz. Auf dem
Rücksitz liegt ihre sieben Monate alte Tochter, deshalb will die Frau das
Auto nicht in der Sonne parkieren. Sie wartet auf ihren Ehemann, der in
einem Spezialitätengeschäft Lebensmittel einkauft. Sie kommen oft nach
Zürich, um einzukaufen. Die Frau findet eine schattige Parklücke. Wenige
Minuten später wird sie zusammen mit ihrem Mann, der aus dem
Lebensmittelgeschäft kommt, von der Polizei verhaftet. Auf offener Strasse
müssen sie ihre Jacken, Schuhe und Socken ausziehen und die Hosen öffnen.
Die Eheleute, die völlig irritiert sind über das Vorgehen der Polizei,
bekommen keine Antwort auf die Frage, weshalb sie untersucht würden. Die
Frau, die als Sozialpädagogin für die Stadt Zürich arbeitet, bittet die
BeamtInnen mehrmals, doch bei ihren ArbeitgeberInnen zuerst nähere
Informationen einzuholen. Obwohl die Polizei bei der Familie nichts findet,
werden sie in einem Kastenwagen, der Mann in Handschellen, zur Polizeiwache
gebracht und in eine Zelle gesperrt. Wieder werden sie befragt. Endlich
wird ihnen erklärt, weshalb sie verhaftet worden sind. Durch die
Parkplatzsuche habe sich die Frau verdächtig gemacht, heisst es. Ausserdem
sei der Mann schon mehrmals aufgefallen. Das Ehepaar stehe unter Verdacht,
in Drogengeschäfte verwickelt zu sein. Die zwei Sommersprossen, die die
Frau in ihrer Armbeuge hat, werden zuerst als Einstiche von Nadeln
«identifiziert». Erst nach drei Stunden Untersuchungen und Befragungen
stellen die Beamten fest, dass sie sich geirrt haben. Das Ehepaar und ihr
Baby werden ohne Entschuldigung, aber mit dem Satz «Irren ist
menschlich» von der Polizei entlassen. Bleibt die Frage, ob die Familie
wirklich wegen der Parkplatzsuche so verdächtig schien oder eher wegen der
Hautfarbe des Mannes, der aus Afrika kommt. (WoZ, 23. April 1998)
Zurück zum Inhaltsverzeichnis
Zurück zum Archiv
URL dieser Seite