Bulletin Nr.56; März 2008

Gesetzeswidriger Ausschluss aus Krankenversicherung

Legal – illegal – dem Bundesamt ists egal

Am 5. März 2008 wurde in einer Pressekonferenz von mehreren Organisationen der Ausschluss aus der Krankenversicherung für Personen ohne Aufenthaltsrecht in der Schweiz als illegal kritisiert. Aber: Muss sich ein Staat an seine Gesetze halten?

Die Pressekonferenz war mit RednerInnen gut bestückt: Organisiert von der IGA (Interessengemeinschaft für Asylsuchende) Solothurn nahmen alt Bundeskanzler François Couchepin, SOS Racisme, ein betroffener Arzt sowie RechtsberaterInnen aus Aarau und Zürich daran teil. Die Faktenlage ist glasklar: Seit der Einführung der «Nothilfe» für AusländerInnen, welche die Schweiz verlassen müssen, wird Betroffenen in allen Kantonen auch die Krankenkasse gekündigt. In den einen Kantonen geschieht dies über den Verordnungsweg, in anderen ganz unbürokratisch. In Hardliner-Kantonen wie Zürich betrifft es praktisch alle Menschen mit Nothilfe, andere Kantone sind selektiver und künden zum Beispiel nur die Versicherung von allein stehenden Männern. Seit Anfang 2008 sind auch alle abgewiesenen AsylbewerberInnen von dieser Massnahme betroffen. Nur in medizinischen Notfällen wären die Kantone weiterhin verpflichtet, eine Behandlung zu finanzieren. Was als Notfall gilt, ist allerdings unklar, auch welche körperlichen Schäden in Kauf genommen werden dürfen, weil eine Behandlung verweigert wird. Dies wird erst die Erfahrung der nächsten Jahre zeigen.
Absolut klar ist jedoch: Das Vorgehen der Kantone ist illegal. Es existiert keine gesetzliche Grundlage für diese Ausschlüsse. Das Krankenversicherungsgesetz schreibt eine Versicherungspflicht für alle vor, die sich in der Schweiz aufhalten. Der Aufenthaltsstatus ist dabei kein Kriterium. Sogar von den Bundesämtern wird diese Ansicht bestätigt: Ein Gutachten, das vor Jahren vom Bundesamt für Justiz in Auftrag gegeben wurde, kam zum Schluss, dass das Versicherungsobligatorium nur aufgehoben werden kann, wenn das entsprechende Gesetz geändert wird.
Zwar wird als Reaktion auf die Pressekonferenz von verschiedenen Seiten über eine «unklare Rechtslage» lamentiert, dies ist jedoch bloss eine Schutzbehauptung. Wie François Couchepin klar darlegte, gibt es zu diesem Thema genau ein Gesetz, dessen Interpretation eindeutig ist. Und die Organe des Staates sind verpflichtet, nach dem Gesetz zu handeln.

Monitoring – bürokratische Vernebelung
Wie immer in diesen Situationen wird die heisse Kartoffel herumgereicht: Das Bundesamt für Migration erklärt sich als nicht zuständig, dafür macht es ein Monitoring mit Abschlussbericht.
Eigentlich könnte es sich das aber sparen. Dabei gewinnen die zuständigen Behörden vor allem Zeit, ohne dass sie sich um den Vorwurf kümmern müssen, der im Raum steht. Ein Monitoring über den illegalen Krankenkassen-Ausschluss? Die angeblichen Folgen scheinen plötzlich mehr zu interessieren als das Gesetz. Die zuständigen Kantone verstecken sich inzwischen hinter der angeblich unklaren Rechtslage, und werden sich stur stellen.
Falls es in den nächsten Wochen keine Überraschungen gibt, ist nur eines sicher: Der Staat weigert sich, seine eigenen Gesetze anzuerkennen und veranstaltet eine bürokratische Vernebelung. Die AnwältInnen können schon einmal beginnen, ihre Bleistifte zu spitzen, und in ein paar Jahren werden sie Recht bekommen, falls dieses Gesetz in der Zwischenzeit nicht noch schnell im Dringlichkeitsverfahren geändert wird.

Das Leid tragen einmal mehr die Betroffenen, die sich kaum wehren können. Wer noch wann und mit wie viel Schmerz und Leiden einen Arzt aufsuchen darf, entscheiden die Funktionäre der Kantone. Die jeweiligen BeamtInnen verkommen so mehr und mehr zu Ausführungsgehilfen und SchreibtischtäterInnen, für die der Begriff «Mensch» an den Schweizerpass gebunden ist. Für die anderen gibt es Bestandeszählungen, Massnahmen, Monitoring, Durchsetzung, Gefängnis.

augenauf Zürich



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