Bulletin Nr. 46; September 2005

Rubrik Kurzmeldungen

Auge drauf

 
Unrecht hat einen Namen
Mitte Juni 2005 strahlte SF DRS («10 vor 10») heimlich aufgenommene Szenen einer Massenausschaffung nach Lagos in Nigeria aus. Der Filmbericht zeigt, wie 15 Asylbewerber bewegungsunfähig an Rollstühle gefesselt und mit Helmen auf dem Kopf wie Gepäckstücke in ein Flugzeug verladen wurden. Die Kosten für den Trip ins Ungewisse wurden mit 110 000 Franken beziffert. Obwohl der Bericht die behördlich praktizierte Menschenverachtung eindrücklich dokumentierte, blieben Reaktionen gänzlich aus. Für die Nachrichten konsumierende Schweiz scheint demütigender Umgang mit Asylsuchenden mittlerweile zur Normalität geworden zu sein. augenauf Basel kann und will sich nicht einfach damit abfinden. Ausgehend davon, dass hinter jeder behördlichen Anordnung irgendwo eine verantwortliche Person steckt, streute augenauf unter nahe stehenden Organisationen einen Brief mit dem Titel «Unrecht hat einen Namen und eine Adresse», in dem dazu aufgerufen wurde, die Verantwortlichen (im obigen Fall: Urs von Arb, Quellenweg 6, Bern) dazu aufzufordern, die ethischen und politischen Dimensionen ihrer Entscheidungen zu rechtfertigen.
 
Leseschwäche
Als ein Schriftsteller vom Salon du livre in Paris an seine Wohnadresse in Binningen heimkehren wollte, wird er an der Grenze festgenommen. Grund: Weil er abwesend war, leistete er einer Vorladung der Basler Staatsanwaltschaft keine Folge und wurde deshalb im Fahndungssystem Ripol ausgeschrieben. Nach zweitägigem (!) Verhör wird er nach Intervention des Haftrichters schliesslich entlassen. Eineinhalb Jahre später erfährt er, dass er noch immer im Ripol ausgeschrieben ist. Der Rechtsvertreter des Schriftstellers protestiert und der Staatsanwalt entschuldigt sich offiziell mit der bemerkenswerten Erklärung, dass man in der Tat den in der Haftrichterverhandlung getroffenen Entscheid, den Namen aus dem Ripol zu löschen, übersehen habe, da man wegen der oft unleserlichen Schrift die Protokolle der Verhandlungen nicht lese.
 
Nachahmungstäter
Nur zwei Tage, nachdem der St. Galler Souverän das verschärfte Polizeireglement an der Urne angenommen hatte, verabschiedete der Kleine Landrat Davos das neue «Landschaftsgesetz über öffentliche Ruhe und Ordnung» und schickte es in die Vernehmlassung. Die Artikel zur Videoüberwachung und zur Wegweisung von öffentlichem Grund wurden bis auf das letzte i-Tüpfelchen aus dem St. Galler Polizeireglement übernommen. Die Abstimmung soll möglichst noch dieses Jahr erfolgen - wohl um das Gesetz beim nächsten WEF anwenden zu können.

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