Bulletin Nr. 43; September 2004

Vom bürokratischen Hürdenlauf anerkannter Flüchtlinge

Integration - Fremdwort in der Innerschweiz

Auch bei uns gibt es tatsächlich noch einige anerkannte Flüchtlinge - auch wenn sie in der gehässigen Missbrauchsdebatte der letzten Jahre kaum erwähnt wurden. Und wie geht es denn diesen wenigen, nachdem der erlösende Entscheid eintrifft?
Jahrelang waren die Hilfswerke zuständig für die Integration: Sprachkurse, Hilfe bei der Wohnungssuche, Familiennachzug, berufliche Weiterbildung bis zur angestrebten Selbständigkeit. Bis zur Erreichung der Niederlassungsbewilligung C nach fünf Jahren bleibt das Bundesamt für Flüchtlinge zuständig für die Finanzierung. In der letzten Asylgesetzrevision von 1998 beschloss das Parlament, die Fürsorge für anerkannte Flüchtlinge an die Kantone zu delegieren. Haben die Hilfswerke ihre Arbeit schlecht gemacht? Haben sie etwa zu viel Geld ausgegeben? Wir wissen es nicht. Was wir wissen: Dieser unselige Entscheid hat jahrelang aufgebaute Kompetenz und Erfahrung zur Seite geschoben und ein Durcheinander angerichtet. Die Kantone haben die Zuständigkeit an die Fürsorgestellen der Gemeinden weitergegeben. Die Unterschiede von Ort zu Ort sind unglaublich gross und stossend. Wie soll eine Büroangestellte in einem kleinen Ort Bescheid wissen über die spezifischen Bedürfnisse eines schwer Traumatisierten? Wie soll in einem SVP dominierten Dorf die Integration einer fremden Familie gelingen? Die schlichte Anwendung der von der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) aufgestellten Richtlinien ist nicht geeignet, um die Probleme zu bewältigen. Es hapert mit der Verständigung, es fehlen Kenntnisse über die Herkunftsländer, es fehlt nicht selten am guten Willen. So finden wir denn alles, von professioneller Integrationsarbeit bis zu völliger Abwesenheit solcher Bemühungen.
 
Die nicht zuständige Fremdenpolizei sagt «nein»
Ein Beispiel: Im Kanton Nidwalden lebt ein anerkannter Flüchtling nach über einem Jahr immer noch im Asylheim, zusammen Asylsuchenden. Kein Sprachkurs, keine Weiterbildung in beruflicher Hinsicht, er bekommt sein Sozialgeld und sonst nichts. Durch die Flucht aus seinem Heimatland konnte er seine langjährige Verlobte nicht heiraten. Jetzt tut er dies per Vollmacht und stellt ein Gesuch um Familiennachzug. Was tut sein Wohnkanton? Statt das Gesuch an die zuständige Behörde, das Bundesamt für Flüchtlinge, weiterzuleiten, lehnt die Fremdenpolizei ab mit der Begründung, er erfülle die Bedingungen eines Familiennachzugs nicht: nämlich eine genügend grosse Wohnung, einen festen Arbeitsplatz usw. Um eine beschwerdefähige Verfügung zu erhalten, muss er zuerst einmal 65 Franken hinblättern. Was folgt, ist ein aufwändiger Beschwerdeweg, eine bürokratische Hürde nach der anderen - dafür ist den Behörden kein Aufwand zu viel. augenauf Zürich

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