Bulletin Nr. 27; März 2000
Vom Verbrechen ohne Pass am Üetliberg spazieren zu gehen
Was so alles passieren kann, wenn eine Frau von der Zürcher Polizei
zur HausbesetzerInnen-Szene gezählt wird, Deutsche ist und an Silvester
ohne Pass am "Üetsgi" spazieren geht, erzählte uns X. in einem
ausführlichen Protokoll.
Die Geschichte beginnt - ganz harmlos - so. «Am Freitag, den 31. Dezember
1999 ging ich im Wald am Üetliberg spazieren.» X. wird mitten im Wald von
zwei Polizeibeamten (mit Hund) angehalten und nach den Papieren gefragt.
Auf Gegenfragen wird mit sofortiger Fesselung und Verhaftung reagiert. X.
denkt unterdessen, es sei besser nachzugeben, und will ihren Namen angeben.
«Aber für sie (die Polizisten) war es jetzt zu spät.»
Pech für X., denn jetzt landet sie am Silvesterabend in der Zelle. X. wird
sauer und schaltet auf stur. Sie weigert sich, sich für die
Leibesvisitation auszuziehen, ihren Namen anzugeben und setzt wutentbrannt
einen «Kaktus» in die Zelle. Das aber, ist für die Beamten zuviel. «Nachdem
ich mich nicht mal mehr anziehen wollte, kam der eine Bulle in die Zelle,
prügelte mich zu Boden, so dass zwei Frauen mich anziehen konnten. Ich kam
leider nicht mehr dazu, mir die blauen Flecken attestieren zu lassen - an
Bein, Kinn und Arm. Ausserdem konnte ich für 'ne Weile meinen Kiefer kaum
bewegen und meine Ohren sausten, dass ich dachte, meine Trommelfelle seien
geplatzt.»
X. blieb mit Handschellen gefesselt in der Zelle sitzen. Später am gleichen
Tag wird X. zur Kantonspolizei gebracht, die aber mit Silvesterfeiern zu
viel zu tun hatte, und sich erst am nächsten Tag für X. interessierte.
Telefonieren und der Kontakt zu einem Anwalt wurde nicht erlaubt.
X. ist unterdessen bereit, mit den Beamten zu ihren Zürcher FreundInnen zu
fahren und ihren Pass zu holen. Man sagte ihren FreundInnen, sie würde nach
einer Überprüfung wieder freigelassen. Doch weit gefehlt (und gut gelogen):
X. wurde erkennungsdienstlich behandelt und es wurde ihr mitgeteilt, sie
würde ausgeschafft. Als Begründung wurde angegeben, sie habe ihre Zelle mit
Kot beschmiert, in einem besetzten Haus gewohnt und sei somit unerwünscht.
Für die Zellenreinigung wurden ihr 200 Mark abgenommen. Die ersten zwei
Tage im Jahr 2000 verbrachte X. wartend in der Zelle. Am Montag, 3. Januar
wird X. dann in einen Transporter der Kantonspolizei verfrachet. «Ein
Shuttle-Transporter mit zwei "Zellen" (1,5 mal 1m gross). Ich war in der
vorderen Zelle alleine, in der hinteren zwei Typen, ein Deutscher und einer
aus Mozambique. Heizung auf volle Pulle, Lüftungsrad erlaubt dir, durch die
schmale Spalte die Geschäfte und Autos zu sehen.»
X. wird an einem Grenzübergang bei Schaffhausen («in der Pampa») nach
Deutschland abgeschoben. Die Schlussfolgerung von X.: «Einreiseverbot habe
ich keines bekommen, dafür aber Bullenparanoia - aber die Angst wird
irgendwann mal verschwinden.»
Während X. in der Zelle sass, bemühten sich ihre Zürcher FreundInnen sie zu
finden. Lange wurde überhaupt abgestritten, dass sie sich im Gewahrsam der
Polizei befinde. Ein herbeigerufener Anwalt wurde mangels Vollmacht (!)
abgewimmelt.
Fazit 1: Die Zellenreinigung bei der Stadtpolizei Zürich wird
offensichtlich von hochqualifizierten Kräften vorgenommen (Fr. 200.- / Std.).
Fazit 2: Nicht nur Sturm Lothar wütet am Üetliberg.
(alle Zitate aus dem Protokoll)
Zurück zum Inhaltsverzeichnis
Zurück zum Archiv
URL dieser Seite