Bulletin Nr. 40; Dezember 2003

«... auf dem Boden essen wie andere Asylanten auch»

Ueble Zustände in den Gemeinden

In den Durchgangszentren freuen sich die Asylsuchenden auf den Transfer in eine Gemeinde, um ein etwas privateres Leben zu beginnen. Allerdings wandelt sich die Vorfreude immer öfter in bittere Enttäuschung. Klagen aus den Gemeinden häufen sich. Ein paar Beispiele.
- Eine Familie mit zwei Kindern, das jüngste sechs Monate alt, bewohnt ein Zimmer. Für ein Kinderbettchen fehlt der Platz. Küche und Dusche müssen mit zwei anderen Familien geteilt werden. Der Mann arbeitet zu 100 Prozent, doch reicht sein Lohn nicht für vier Personen aus, so dass das Fürsorgeamt der Gemeinde das Budget bestimmt. - In der gleichen Liegenschaft wohnt eine Familie mit vorläufiger Aufnahme F. Die drei Kinder sind 17, 11 und 2-jährig. Auch hier reicht der Lohn des voll arbeitenden Vaters nach dem 10-Prozent-Abzug für das BFF nicht aus. Die Familie soll zudem der Gemeinde einen grösseren Betrag schuldig sein, versteht jedoch nicht warum. Die Budget-Abrechnungen sind kompliziert, die Kommunikation mit der Behörde scheint auf dem Nullpunkt. Beiden Familien ist mit eingeschriebenem Brief die Zwangsräumung auf Ende Monat angekündigt. - Einen Arzttermin zu erhalten ist schwierig. Dazu muss dem Sozialamt ein Beitrag von fünf Franken bezahlt werden. Herr C. hat Schmerzen. Er will eine Konsultation. «Sie können nächste Woche zum Arzt!» Am Nachmittag bricht er zusammen, seine Frau bringt ihn zur Hausärztin des früheren Durchgangszentrums. Diese weist ihn notfallmässig ins nächste Spital ein. Er wird gleichentags operiert. Diagnose: Darmperforation. Er ist jetzt zwar im falschen Spital, dafür ist möglicherweise sein Leben gerettet. - «Sie können wohl auf dem Boden essen wie andere Asylanten auch», antwortet die Zuständige des Sozialamtes dem konsternierten Vater von drei schulpflichtigen Kindern, als er höflich fragt, ob die Familie einen Tisch zum Essen und für die Hausaufgaben bekommen könne. Interventionen beim Kanton gegen diese unhaltbaren Zustände bringen nichts. «Wir mischen uns nicht ein bei den Gemeinden. Wir müssen ja froh sein, wenn diese überhaupt Flüchtlinge aufnehmen», heisst es von der Direktion für Soziales des Kantons Zürich. Wer soll sich denn einmischen, wenn nicht die zuweisende Behörde? Die ungleiche Behandlung der Asylsuchenden durch die verschiedenen Gemeinden ist stossend. Gegen den fremdenfeindlichen Mief in den Köpfen der Zuständigen ist kein Kraut gewachsen. Mit einer Kontrollinstanz könnte wenigstens die Einhaltung von Minimalstandards in der Unterbringung gesichert werden. Eine Ombudsstelle für Asylsuchende wäre eine Lösung. augenauf Zürich

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