Bulletin Nr. 40; Dezember 2003

augenauf fordert die Abschaffung der BFF-Abteilung «Vollzugsunterstützung»

Gefährdung von Flüchtlingen und Polizisten

Die Details über den misslungenen Ausschaffungscharter vom 20. August lassen aufhorchen: Die BFF-Abteilung für Vollzugsunterstützung (VU) vereinbart mit der für Menschenrechtsverletzungen notorisch bekannten kongolesischen Grenzpolizei DGM eine Massendeportation von Afrikanern.
Die Vereinbarung kommt ohne Beteiligung des schweizerischen Aussenministeriums oder der kongolesischen Botschaft in der Schweiz, ohne gültigen Staatsvertrag und ohne Rückübernahmeabkommen zu Stande. Es ist bei weitem nicht das erste Mal, dass die VU durch ihr juristisch äusserst fragwürdiges Vorgehen auffällt. Mehrfach wurden Vereinbarungen mit lokalen Polizeidiensten getroffen, die Gesetze und diplomatische Gepflogenheiten missachteten. Rechtsstaatlichkeit und die Verpflichtung, die Sicherheit der betroffenen Personen bei Ausschaffungen zu garantieren (Non-Refoulement-Prinzip), scheinen für diese Beamten keine bindende Verpflichtung zu sein. Hier eine Auswahl von Fällen: - Ein abgewiesener Asylbewerber aus Sierra Leone erhält von seinem Konsulat keine Reisepapiere, weil dort der Bürgerkrieg tobt. Er wird nach Ghana ausgeschafft, wo ihm ein Ersatzausweis «organisiert» wird. Mit diesem Papier und 100 Dollar Weggeld soll er sich auf den 1500 km langen Weg nach Sierra Leone machen. Seit seiner Ankunft in Ghana erhalten wir kein Lebenszeichen mehr (Januar 1999). - Die Ausschaffungshaft eines Sierra Leoners wird aufgrund der Behauptung der VU, dass Ghana bereit sei, einer Ausschaffung nach Accra zuzustimmen, bestätigt. Unsere Abklärungen ergeben, dass weder die Nationalität des Häftlings noch die angebliche Übernahmebereitschaft Ghanas mit dessen Konsulat geklärt wurde. Das EDA bestätigt, dass mit Ghana kein Rückübernahmeabkommen existiert (Februar 1999). - Frühling 1999: Die Regierung von Ghana stoppt die Praxis der VU, Nicht-GhanaerInnen nach Ghana auszuschaffen (Ghana-Route). - Das Asylgesuch eines Afrikaners wird abgelehnt, weil er nicht wie angegeben aus Sierra Leone komme. Während acht Monaten Ausschaffungshaft versucht die VU erfolglos, Ersatzpapiere von Sierra Leone und Ghana zu erhalten. Der Mann wird in die Elfenbeinküste ausgeschafft, um dort seine «Weiterreise» nach Sierra Leone zu organisieren. In einem Telefonanruf beklagt er sich über Misshandlungen. Nach über einer Woche im Gefängnis kommt sein letzter Anruf: Er wird nach Nigeria ausgeschafft, sein Gepäck ist in Freetown verschollen. (Juni 1999) - Frühling 2000: Die Regierung der Elfenbeinküste stoppt die von der VU organisierten Ausschaffungen von Menschen, die nicht BürgerInnen der Elfenbeinküste sind, nach Abidjan. (Abidjan-Route). - Die VU organisiert einen Kleincharter, der drei Afrikaner nach Kinshasa ausschaffen soll. Die Aktion ist nicht oder falsch mit den Kongolesen koordiniert: Alle mitfliegenden Beamten werden in Kinshasa festgehalten und erst nach einer Intervention der Schweizer Botschaft freigelassen. Die drei Afrikaner landen im Gefängnis, zwei verschwinden spurlos, der dritte kehrt nach zehn Monaten Gefängnis in die Schweiz zurück und stellt wieder ein Asylgesuch. Die Demokratische Republik Kongo weigert sich in der Folge, Ersatzpapiere für Personen auszustellen, die nicht freiwillig ausreisen wollen (August 2000). - Durch nachweislich falsche Angaben an den Konsul von Gambia erschleicht sich die VU einen Pass-Ersatz für die Zwangsausschaffung eines minderjährigen Westafrikaners. Eine Beschwerde an Departementsvorsteherin Metzler wird vom EJPD abgewiesen (Dezember 2002). augenauf fordert die Auflösung der Abteilung Vollzugsunterstützung des BFF. Diese Abteilung operiert permanent in einem das Legalitätsprinzip missachtenden Graubereich und verletzt zwischenstaatliche Vereinbarungen. Die VU hat wiederholt die Sicherheit von Flüchtlingen und deren Schweizer Polizeibegleitung gefährdet. Sie unterläuft den Aufbau und die Stabilisierung rechtsstaatlicher Strukturen in den Herkunftsländern der Flüchtlinge.
 
 
Die Swiss deportiert
SR 276 Zürich-Kinshasa vom 9. Mai 1999 war kein normaler Flug. Bei der Zwischenlandung in Yaoundé bemerkten Passagiere, dass hinter einem Vorhang ein geknebelter und gefesselter Ausschaffungshäftling sass - bewacht von Zürcher Polizisten. Es kam zum Tumult. Der Pilot rapportierte der Geschäftsleitung nach der Rückkehr nach Zürich, solche Ausschaffungen seien «absolut barbarisch». Von da an nahm die Swissair keine Ausschaffungsgefangenen mehr gegen deren ausdrücklichen Willen mit. Seit das BFF auf Grosscharter setzt, scheint das anders zu sein. Die Swiss sei eine der Gesellschaften, bei denen das BFF Flugzeuge chartern könne, sagte ein Sprecher der Fluggesellschaft. Solche Charterflüge würden zusammen mit den Polizeibehörden geplant, Details über die von der Swiss an Bord zugelassenen Zwangsmassnahmen gebe man aber nicht bekannt. Solche Details seien «safety-relevant». Auch was die Swiss an solchen Chartern verdiene, sei kein Thema fürs Publikum. Die serbelnde und mit Steuergeldern versehene Swiss darf jedenfalls wieder mitverdienen am Deportationsgeschäft.


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