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Dreiland-Demo vom 15.6.2002
Redebeitrag von augenauf Basel
 

Liebe Mitmarschierende

Wir sind auf unserem langem Marsch an einem symbolträchtigen Ort angelangt. Was Ihr hier seht ist das Ausschaffungsgefängnis der Nordwestschweiz - euphemistisch auch Bässlergut genannt. Dieser Millionen teure Bau ist das Beton und Stacheldraht gewordene Symbol für die inhumane Abschreckungs- und Abschiebepolitik unserer reichen Schweiz. In diesem Bau werden Menschen gefangen gehalten, die nichts verbrochen haben, ausser dass sie unerwünscht sind und den richtigen Stempel auf dem richtigen Stück Papier nicht vorweisen können.

Neben anderen Brennpunkten von staatlichen Uebergriffen beobachtet die Gruppe augenauf Basel diesen unsäglichen Ort seit seiner Eröffnung und wir haben verschiedentlich Menschen in ihrer verzweifelten Lage begleitet. Ich möchte Euch darum ein paar Schicksale schildern, damit Ihr ein Vorstellung bekommt, um was es hier geht.

Bässlergut Doku

 

Da ist einmal Ali. Er arbeitete jahrelang als Saisonier in der Schweiz, bis es diese Arbeitsform plötzlich nicht mehr gab. Eigentlich hätte er in sein Heimatland zurückkehren sollen. Aber was sollte er dort, ohne Chance auf Einkommen und Zukunft. Er blieb hier. Auch sein Arbeitergeber war einverstanden, denn er leistete ja über Jahre hinweg gute und billige Arbeit. Bis er in eine Kontrolle geriet. In seinem Pass fehlte der richtige Stempel und die Mühlen der Justiz begannen zu mahlen. Ali wollte eigentlich die Schweiz noch immer nicht verlassen und als er auch den letzten sogenannt freiwilligen Termin verpasste, wurde er in diesem Bunker inhaftiert bis ihn die Polizei zwangsdeportierte.

Da war auch noch Ludmilla. Eine junge Frau aus Minsk in Weissrussland. In ihrem Leben wurde ihr viel versprochen und nur sehr wenig gehalten. Das letzte Versprechen war das einer guten Arbeitsstelle in der goldigen Schweiz. Gelandet ist sie in einer dubiosen Bar. Goldig war vielleicht einzig der Champagner, den sie mit Gästen trinken musste, die sie selber nie eingeladen hätte. Bei einer Razzia wurde sie kontrolliert, inhaftiert und innert 36 Stunden in ein Flugzeug gesetzt. Die Leute die an diesem Menschenhandel profitiert haben blieben unbehelligt, nur Ludmilla wurde mit der sofortigen Ausschaffung bestraft.

Oder George; ein junger Mann aus Westafrika. Er hatte sich bis Italien durchgeschlagen und lebte dort mehr schlecht als recht. Bis er Nachricht von Kollegen erhielt, die im gleichen Slum der Grossstadt in Afrika aufgewachsen sind wie er. Sie lebten in Holland und hatten ein Geschäft aufgebaut. George wollte sich ihnen anschliessen und machte sich von Italien per Bahn auf den Weg nach Holland. Natürlich hatte er keine sauberen Papiere dabei. Und so wurde er im Zug, kurz vor der Grenze nach Deutschland, von übereifrigen Beamten kontrolliert. Die Folge davon war, dass er hinter diesem Stacheldraht und hinter diesen Mauern landete. George wollte nie was von der Schweiz. Und doch sass er monatelang hier und wartete und wartete, sinnlos, hoffnungslos, alleine.

Wir lernten auch Pablo kennen. Er stammt aus Bolivien und wollte die Welt erforschen. Wäre er ein Kind der reichen Welt, hätte er nach der Ausbildung ein Jahr gearbeitet und sich mit dem Verdienst eine Weltreise geleistet. In La Paz war aber auch mit harter Arbeit für ihn nicht einmal sicher das Dach über dem Kopf oder die nächste Mahlzeit zu verdienen. Aber er konnte wunderschön Panflöte spielen. So schlug er sich als Strassenmusikant durchs Leben und bereiste Europa. In Basel lernte er Kollegen kennen, gewann Freunde und verliebte sich sogar. Er blieb deshalb länger als es irgendein Paragraph erlaubt. Auch er flog bei einer willkürlichen Kontrolle auf, wurde inhaftiert und ausgeschafft. In die Schweiz wird er nie mehr zurückkehren können, denn der Schweizer Staat fordert von ihm noch die Kosten für seine zwangsweise Ausschaffung zurück.

 


Dass die Schweiz in ihrem Wahn, das Land von unerwünschten Menschen sauber zu halten, sehr weit geht, zeigen zwei äusserst tragische Vorfälle in den letzten Jahren. Es geht um zwei Menschen, die diesen Wahnsinn mit Ihrem Leben bezahlen mussten. Und ich möchte nicht, dass diese beiden jungen Menschen in Vergessenheit geraten

  • Der eine ist Khaled Abuzarifa, 27 jährig aus Palästina gestorben am 3. März 1999 in Zürich während der Ausschaffung nach Gewaltanwendung durch die Staatsmacht. Er erstickte in einem Rollstuhl gefesselt an seiner Mundknebelung.
  • Der andere ist Samson Chukwu, 27 jährig aus Nigeria, gestorben am 1. Mai 2001 in Sion während der Ausschaffung nach Gewaltanwendung durch die Staatsmacht. Er verstarb in seiner Zelle, bäuchlings auf den Boden gedrückt, einen Polizisten auf seinem Rücken kniend, an plötzlichem Gewahrsamstod.

Man wird mir von offizieller Seite entgegnen, dass dies unglückliche Umstände und Zufälle seien und sonst alles nach Recht und Gesetz vonstatten geht. Mir kommt angesichts dieses Baus hier und der geschilderten Geschichten ein altes Wort in den Sinn. Es mag abgedroschen klingen, es mag missbraucht worden sein. Aber vor dieser Kulisse ist es und bleibt es wahr - der Satz lautet: «Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht».

Chukwu Doku

Was uns von augenauf Basel auffällt, ist dass hinter diesen Mauern ausschliesslich Menschen aus armen Ländern festgehalten werden. Der umworbene Chemieprofessor, der EDV-Crack, der weltmännische Finanzspezialist landen nicht hier. Diesen Leuten wird der benötigte Stempel noch so gerne in Ihrem Pass gedrückt.

Die Menschen die hier eingekerkert werden, fliehen vor Krieg, Not und Verfolgung. Doch was sind denn die Ursachen dieser Fluchten. Es sind Kriege die in den kolonialen Schweinereien Europas ihre Wurzeln haben. Es ist eine weltweite Wirtschafts-, Agrar- und Gesundheitspolitik, an der sich zwar die internationalen Konzerne und ihre Manager dumm und dämlich verdienen, die aber einen grossen Teil der Weltbevölkerung Hunger, Elend und Misere überlassen. Es sind Stellvertreter-Kriege um die Ressourcen und Rohstoffe dieser Erde, die Millionen in die Flucht schlagen.

Ueber achtzig Prozent der weltweiten Flüchtlinge verbleiben in den armen Ländern des Trikonts. Keine 10 % schaffen es nach Europa, in die reiche Welt, dort wo die wirklichen Gründe für Ihre Flucht liegen. Und die einzige Antwort die das reiche Europa auf diese Zustände hat, ist Ausschaffung, Abschiebung, ja nicht hereinlassen, - der Aufbau der Festung Europa. Diese Festung ist kein Mythos linker Gutmenschen. Ich kenne die Zäune und Mauern von Ceuta und Mellila, ich kenne den Wassergraben in der Strasse von Gibraltar wo jährlich Unzählige elendiglich ertrinken, ich weiss von den umherirrenden Gespensterschiffen in der Ägäis und wir alle hier können eines der Verliese, einer der Kerker der Festung Europa bestaunen, das Ausschaffungsgefängnis Bässlergut.

Angesichts dieser Tatsachen, angesichts dass Ausschaffung Nötigung, Freiheitsberaubung und Folter ist, dass Ausschaffung auch Mord bedeuten kann, gibt es nur eine Antwort - Bleiberecht für alle - und zwar jetzt - und zwar sofort.

Danke


Weitere an dieser Demo gehaltene Reden: www.sosf.ch

 
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