Bulletin Nr. 38; Juni 2003

«Rechtsfreier Raum» im Provisorischen Polizeigefängnis (Propog) in Zürich

Das Gesetz gilt nicht für alle

Ein Hausschlüssel fliegt nach Kinshasa, dafür bleibt das Gepäck im Zimmer eines ausgeschafften Flüchtlings. Der Mann ist im Propog all seiner Rechte beraubt worden, Besuche wurden verweigert, und schlussendlich wird er nach Kinshasa ausgeschafft, obwohl er aus Angola stammt.

F. wird am Montag, 17. März, frühmorgens aus dem Bett geholt und zwecks Ausschaffung ins Propog gebracht. Am 21. März 2003 fliegt er via Nairobi nach Kinshasa - einer mehr ins falsche Land. F. ist aus Angola und lebt seit fünf Jahren in der Schweiz, zuletzt als abgewiesener Flüchtling. Vier Tage in Ausschaffungshaft, und vier Tage lang wird er daran gehindert, Bekannte oder seinen Rechtsvertreter anzurufen, die seine Angelegenheiten hätten regeln können. In seinem privat gemieteten Zimmer hat sich einiges angehäuft in der langen Zeit.
Art.13 d ANAG (Zwangsmassnahmen): «Die Kantone sorgen dafür, dass eine vom Verhafteten bezeichnete Person in der Schweiz benachrichtigt wird. Der Verhaftete kann mit seinem Rechtsvertreter mündlich und schriftlich verkehren.»
So will es das Gesetz. Das Bundesgericht hat weiter präzisiert: Besuche und Telefonverkehr müssen gestattet sein. Gesetz und Bundesgerichtsentscheide kümmern offensichtlich die Kantonspolizisten nicht. Ein Freund von F., der von der Verhaftung hört, will ihn am nächsten Tag besuchen, wird auf den Freitag verwiesen, da ist der Gesuchte bereits nicht mehr da.
Am 17. April kommt ein Telefonanruf von Kinshasa. F. möchte seine Kleider, die er nicht packen konnte. Auf Nachfrage bei der Fürsorgebehörde weiss niemand Bescheid über die Ausschaffung von F. Der Check für das Fürsorgegeld für den Monat April sei per Post zugestellt worden.
Mit viel Zeitaufwand wird der Besitzer der Liegenschaft ausfindig gemacht. Endlich, am 15. Mai, öffnet der Concierge das Zimmer mit dem Nachschlüssel, dank einer noch vorhandenen Vollmacht. Ein trauriger Anblick! Bücher, Kassetten, Akten, Kleider liegen kreuz und quer verstreut am Boden, auf dem Tisch steht das gebrauchte Geschirr vom Nachtessen, im vereisten Kühlschrank stinken verdorbene Lebensmittel. F. ist ein ordentlicher, verlässlicher Mann, und jetzt das! Spuren der Polizei, die noch nach weissnichtwas gesucht hat. Im Briefkasten liegt ein Abholzettel für einen eingeschriebenen Brief, der Check der Fürsorgebehörde und Post von der Liegenschaftsverwaltung. Die Miete für zwei Monate ist nicht bezahlt, die Kaution deckt gerade einen Monat. Die Kosten für Räumung und Reinigung gehen zu Lasten des Besitzers. Und der Schlüssel für Haus und Zimmer? Ja, der wurde samt F. nach Kinshasa ausgeschafft. F. verspricht am Telefon, ihn per Post zu schicken. Der Verwaltung wird wärmstens empfohlen, die Kantonspolizei für den Schaden haftbar zu machen. Bei rechtzeitiger Benachrichtigung hätte das Zimmer ab dem 1. April vermietet werden können. Der Hausbesitzer wird sich in Zukunft zweimal überlegen, ob er an diese «Asylanten» vermieten wird, wen wunderts!
Bei der Akteneinsicht findet sich ein Brieflein: F. bittet dringend, mit seiner Rechtsvertretung in Kontakt zu kommen. Datum 17. März! Freunde zügeln in Absprache mit F., was noch brauchbar ist. Ein Kilo Gepäck von Zürich nach Kinshasa kostet per Luftfracht Fr. 11.50. Wer soll das bezahlen?

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