Bulletin Nr. 31; Juni 2001

Sans Papiers besetzen Kirchen in der Romandie

Das Fribourger Manifest

Am Pfingstmontag haben in Fribourg «Sans Papiers» eine Kirche besetzt - in Lausanne besetzen Papierlose seit über sieben Wochen eine Kirche. augenauf veröffentlicht eine leicht gekürzte Fassung des Fribourger Manifests.

Wir sind Familien, wir sind Alleinstehende oder auch kinderlose Paare. Aus allen Ecken der fünf Kontinente sind wir hierhergekommen, um zu arbeiten, um zu leben - frei und weg von Krieg und Elend. (…)
Nach all diesen Jahren, die wir in der Schweiz verbracht haben, sind wir integriert. Wir wären fremder in unserem Land als in der Schweiz, wo wir leben, unsere Steuern, unsere Mieten, unsere Sozialabgaben bezahlen - so wie jeder und jede «legale» EinwohnerIn dieses Landes auch. Wir haben in der Vergangenheit zum wirtschaftlichen Wachstum und zur sozialen und kulturellen Entwicklung dieses Landes beigetragen und werden dies auch in Zukunft tun. Die meisten von uns sind legal in die Schweiz eingewandert. Wir haben die Illegalität nicht gewählt. Sie wurde uns von den Gesetzen auferlegt. Wir sind nicht verantwortlich für diese Situation und wehren uns gegen die Heuchelei der Behörden, die uns die Schuld dafür geben wollen. Wir sind keine Kriminellen, sondern Frauen und Männer, die hart arbeiten und die verschiedensten Arbeiten in der Landwirtschaft, im Gast- oder Baugewerbe oder beim Bau öffentlicher Infrastrukturen verrichten. Arbeiten, die die meisten von euch nicht übernehmen würden. Wir arbeiten oft unter Bedingungen, die für SchweizerInnen unvorstellbar sind: Miserable Löhne, nicht endende Arbeitstage, keine soziale Sicherheit, baufällige Unterkünfte sind unser tägliches Brot. Gegen diese Formen der Ausbeutung können wir uns nicht wehren. Ohne Papiere haben wir auch keine Rechte, und die schweizerische Demokratie profitiert davon. Wir verlangen nichts Unmögliches, nur eine Aufenthaltsbewilligung für uns alle. Wir glauben das Recht zu haben, würdig und in Sicherheit zu leben. Wir wollen eine Aufenthaltsbewilligung, um nicht mehr Opfer der Willkür von Verwaltungen und Arbeitgebern zu sein.
Wir wollen eine Aufenthaltsbewilligung, um frei durch die Strassen zu gehen, ohne Angst, jeden Moment verhaftet und ausgewiesen zu werden. (…)
Aus all diesen Gründen verlangen wir eine kollektive Regulierung aller «Sans Papiers» und lehnen eine «Fall für Fall»-Vorgehensweise ab. Wir alle, Opfer von ungerechten Gesetzen, verlangen ein Recht auf Migration. Die massiven Regulierungen, die in Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Deutschland oder Belgien stattgefunden haben, zeigen, dass auch die Schweiz uns nicht weiterhin ignorieren kann, um uns besser auszunützen.
Freiburg, 17. Mai 2001

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

Zurück zum Archiv

URL dieser Seite