Bulletin Nr. 15; September 1996

Editorial

Die Bundesgerichtsurteile zur Zürcher Ausschaffungshaft

Am 22. August traten wir zusammen mit SOS Menschenrechte und der Freiplatzaktion für Asylsuchende mittels einer Pressekonferenz an die Öffentlichkeit. Anlass waren die Bundesgerichtsentscheide zu den Haftbedingungen der zürcher Ausschaffungsgefangenen im provisorischen Polizeigefängnis Propog und im Bezirksgefängnis Kloten 1. Neu schreibt das Bundesgericht z.B. einen Gemeinschaftsraum für Ausschaffungsgefangene vor.
Es hat die krassesten Verstösse gegen den Grundsatz, dass das Haftregime für sogenannte «Administrativgefangene» liberaler sein müsste, als für Untersuchungs- und Strafgefangene kritisiert, die Haftbedingungen wurden jedoch nicht grundsätzlich verbessert. In Realität sind die Ausschaffungsgefangenen einem deutlich strengeren Haftregime ausgesetzt als verurteilte Strafgefangene im Strafvollzug.
Der Haftalltag in Kloten 1 sieht konkret so aus: 23 Stunden am Tag zu zweit oder zu dritt in einer 10,2m2 grossen Zelle, disziplinarische Ahndung von Kommunikationsversuchen zwischen Gefangenen verschiedener Zellen, Behinderung der Besuchsausübung, um nur einige Beispiele zu nennen. Zudem ist es schon nachweislich vorgekommen, dass Ausschaffungsgefangenen die dringend benötigte medizinische Hilfeleistung verweigert wurde.
Zumindest bis Ende August war es eine übliche Behördenstrategie, Besuche bei Ausschaffungsgefangenen zu verhindern. Dies vom Verleugnen ihrer Anwesenheit über das Zurückhalten von Briefen bis zu Fehlinformationen wie «X. wünscht keinen Besuch», obwohl dieser sich brieflich gegenteilig geäussert hatte.
RechtsvertreterInnen wurden wiederholt trotz Vollmacht und ausdrücklichem Verlangen des Verhafteten weder über die Verhaftung orientiert noch zur polizeilichen Einvernahme oder Haftrichterverhandlung eingeladen. Es brauchte zwei Verwaltungsgerichtsbeschwerden von SOS Menschenrechte bis dieser Misstand (vielleicht) beseitigt wurde. Denn auch in jüngster Zeit wurden RechtsvertreterInnen zu kurzfristig von anstehenden Verhandlungen benachrichtigt.
In Kloten 2 ist - entgegen behördlicher Versicherungen - keine Verbesserung der Haftbedingungen zu erwarten. Allein schon die baulichen Voraussetzungen und der geringe Personalbestand verunmöglichen eine grundsätzliche Veränderung des Haftregimes.
Die Tatsache, dass dank der Überbelegung in Kloten 1 trotz der niedrigen Kostgelder von Fr. 110.–/Tag (im Strafvollzug z.B. in Regensdorf belaufen sich diese auf Fr. 300.–bis 400.–) ein Überschuss von 1 Million Franken erwirtschaftet wurde, spricht für sich.
Die Mindestvoraussetzungen für die Administrativhaft werden auch in Kloten 2 nicht erfüllt sein. Wir fordern weiterhin: Aussetzung der Zwangsmassnahmen; Abriss von Kloten 1 und 2 und dem Propog!
P.S. Neuesten Informationen zufolge hat sich in Kloten 1 doch etwas getan. Post und Besuchsbewilligungen laufen nicht mehr über die Ausschaffungsbeamten und mindestens zwei Gefangenen war es möglich aus dem Knast heraus zu telefonieren. Und bereits einen Tag nach dem BG-Urteil wurde der Umschluss in einem «Gemeinschaftsraum» eingeführt, der aber von den Gefangenen wenig benützt werden soll – wen wunderts?: Der «Gemeinschaftsraum» ist eine der normalen Zellen in die man für eine Stunde zu siebt eingesperrt wird. Warum nur brauchte der Kanton Zürich über 1½ Jahre und eine ganze Reihe von (Bundes-)Gerichtsurteilen um wenigstens ein paar der Mindestvorschriften zu erfüllen?

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