Bulletin Nr. 40; Dezember 2003

Dem BFF ist jedes Mittel Recht

Illegale Massenausschaffung gescheitert

Die Schweizer Behörden geben nicht auf: Nach dem gescheiterten Transitabkommen mit Senegal haben sie mit illegalen Methoden versucht, Kongolesen auszuschaffen. Die Grossaktion ist in letzter Minute misslungen.
Am 20. August 2003 hätte der erste grosse Ausschaffungs-Charter der Schweizer Behörden nach Afrika starten sollen. Doch die mit zwölf Kongolesen und 29 Polizisten vollgestopfte Maschine der Swiss hob nicht vom Flughafen Genf-Cointrin ab. Und das, obwohl man das Unternehmen minutiös geplant hatte. Am 4. Juni dieses Jahres hatte das Bundesamt für Flüchtlinge (BFF) den Chef der kongolesischen Migrationsbehörde, Pierre Yambuya, in der Schweiz empfangen. Die BFF-Vertreter verhandelten mit dem Ministerialbeamten der «Direction Générale de Migration» (DGM) und zeigten ihm das Schweizer Ausschaffungssystem. Pierre Yambuya ist eine schillernde Figur. In den Neunzigerjahren hat er mit seinem Erstlingswerk («J'étais le pilote de Mobutu») Furore gemacht. Darin erzählt er, wie er im Auftrag des 1997 gestürzten Marschalls RegimegegnerInnen hätte umbringen sollen. Yambuya war aus Mobutus Zaire geflohen und wartete das Ende des Diktators im holländischen Exil ab.
 
Der Deal unter Umgehung der Botschaft
Mit diesem Yambuya unterzeichnete der Vizedirektor des Bundesamtes für Flüchtlinge, Urs von Arb, am 5. Juni 2003 ein «gemeinsames Communiqué». Sie sprachen sich schriftlich dafür aus, dass in Zukunft die kongolesische Grenzpolizei- und Migrationsbehörde DGM für die Identifikation und Rückkehr von papierlosen KongolesInnen zuständig sei. Die Botschaft der Demokratischen Republik Kongo, die Zwangsausschaffungen ablehnt, wollte man links liegen lassen. Dem gemeinsamen Communiqué der Chefbeamten aus dem Kongo und der Schweiz liegt ein nicht unterzeichnetes Separatblatt bei, das die Abwicklung künftiger Ausschaffungscharter bis ins Detail regelt. Ob ursprünglich vorgesehen war, diese Dokumente als Arbeitspapiere für weitere Verhandlungen mit den offiziellen VertreterInnen des Kongo zu benutzen, wie das reguläre zwischenstaatliche Beziehungen wohl bedingen würden, geht aus den Dokumenten nicht hervor. Tatsache ist, dass der Chef der Abteilung Vollzugsunterstützung, Laurent Perriard, der mit seinem Team die Verhandlungen zwischen von Arb und Yambuya begleitet hatte, nach der Abreise des DGM-Direktors sofort mit der Organisation des Ausschaffungscharters begann.
 
Selektion durch kongolesische Grenzbehörden
Perriard hielt sich peinlichst genau an die Abmachungen mit dem Herrn aus dem Kongo. Zuerst forderte er die Fremdenpolizeien der Westschweizer Kantone auf, KandidatInnen für den Ausschaffungscharter zu melden. Die von Perriards Leuten «bereinigte» Liste der zu Deportierenden wurde der DGM in Kinshasa vorgelegt. Danach wurde eine Delegation ebendieser DGM in die Schweiz eingeladen, um die «Deportees» zu begutachten. Die Kantone erhielten den Auftrag, die papierlosen Kongolesen ab dem 10. August für die geplanten Besuche der DGM zu arretieren. Als die Ausschaffungskandidaten in Haft sassen, schleuste man die Delegation aus dem Kongo durch die Westschweizer Gefängnisse, wo die Grenzpolizisten aus Kinshasa ihre in die Schweiz geflohenen Landsleute begutachteten und die definitive Liste für den Ausschaffungscharter zusammenstellten. Am 20. August wurden die so selektionierten Flüchtlinge in Handschellen nach Genf gebracht, wo sie zusammen mit 29 Polizisten in die vom BFF gecharterte Swiss-Maschine gesetzt wurden. Zuvor war der Schweizer Chef des Unternehmens, Laurent Perriard, nach Kinshasa gereist, um die Ankunft des Ausschaffungscharters aus der Schweiz vorzubereiten. Perriard und seine Leute bereiteten diese Ausschaffungsaktion unter aktiver Umgehung der offiziellen Vertretung der Republik Kongo vor. Die Kongolesen hatten keine «Laisser-Passers» der Botschaft - eine unabdingbare Voraussetzung für eine legale Deportation. Der nach Kinshasa reisende Perriard hatte kein von der Botschaft ausgestelltes Visum. Und von der Existenz der 29 Polizisten, die nach Kinshasa reisen sollten, wussten im Kongo nur die Beamten der DGM. Genau daran sollte das Unternehmen auch scheitern. Kurz bevor es losgehen sollte, fielen der Aussenminister, der Transportminister und der Minister für öffentliche Sicherheit des Kongos Yambuya in den Rücken. Alle drei sind seit dem 1. Juli als Vertreter einer Übergangsregierung im Amt, die den Kongo zu freien Wahlen führen soll. Der Ausschaffungsflug wurde von den Ministern abgesagt, bevor er Genf verlassen konnte.
 
Gegen schweizerisches und internationales Recht
Das Kinshasa-Abenteuer des BFF wirft Fragen auf. Weshalb dürfen Vertreter der kongolesischen Migrationsbehörde in Schweizer Gefängnissen umherspazieren? Wie können die Vollzugsunterstützer garantieren, dass die von der DGM ausgewählten Flüchtlinge im Kongo nicht gefährdet sind? Seit wann werden abgewiesene Flüchtlinge den Behörden des Fluchtlandes und ihren Geheimdiensten auf dem Servierteller präsentiert? Was sagt Aussenministerin Micheline Calmy-Rey zum Versuch des BFF, direkte Kontakte zu kongolesischen Polizeibehörden aufzubauen, deren Ruf alles andere als glänzend ist? Der Botschafter der Demokratischen Republik Kongo in der Schweiz antwortet auf einen Teil dieser Fragen. Das BFF und Pierre Yambuya hätten mit ihrem Vorgehen gegen kongolesisches, schweizerisches und internationales Recht verstossen. Man wird sehen, ob das für die Gang um Urs von Arb und Laurent Perrriard Konsequenzen hat. augenauf Zürich

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