Bulletin Nr. 38; Juni 2003
Wenn sogar der Zugang zum Asylverfahren privatisiert wird
Das Zauberwort heisst Outsourcing
Immer mehr Funktionen des öffentlichen Dienstes werden
privatisiert. Im sensiblen Bereich des Flughafentransits übernimmt eine
Privatfirma die Dokumentenkontrolle und entscheidet, ob ein Passagier
einreisen darf oder nach einem Zwischenhalt weiterfliegen muss.
«INADMISSIBLE» wird aufs Ticket gestempelt, wenn ein Pass, ein Visum oder
auch das zum Pass gehörige Gesicht dem gestrengen Blick der zivilen Wächter
nicht genügt. Für die Swiss erledigt diese Aufgabe der Customers Ground
Service (CGS), neuerdings zu 85 Prozent im Besitz der Protectas AG, welche
wiederum der internationalen Securitas Group gehört. Privatisiert ist somit
auch der Zugang zu einem Asylverfahren.
Art. 18 Asylgesetz: «Jede Äusserung, mit der eine Person zu erkennen gibt,
dass sie die Schweiz um Schutz vor Verfolgung nachsucht, gilt als Asylgesuch.»
Das Bundesamt für Flüchtlinge, die Flughafenpolizei und auch die zuständige
Regierungsrätin des Kantons Zürich behaupten laut und leise, dass der
Zugang zum Asylverfahren im Transit gesichert sei. Zweifel sind angebracht,
wie die folgende Geschichte zeigt.
Kein Recht auf Familiennachzug
E. ist religiös verheiratet mit einem in der Schweiz anerkannten
Flüchtling. Dies gibt kein Recht auf Familiennachzug. Alle Versuche, ein
Visum zu erhalten, schlagen fehl, dafür bekommt die Polizei im Heimatland
Wind von den Bemühungen. E. wird einige Male festgenommen, geschlagen,
bedroht. Ihr Geschäft wird geschlossen - höchste Zeit, das Land zu
verlassen. Sie kauft ein Retourticket in ein Drittland, für welches sie
kein Visum braucht, die Ausreise gelingt mit einigen Verstellungskünsten.
Vom Drittland bucht sie einen Rundflug, da sie ja kein Visum für die
Schweiz besitzt, mit der Absicht, in Zürich ein Asylgesuch zu stellen.
Schon beim Abflug im Drittland gibt es Probleme. Ihr Pass, ihre
Identitätskarte und das Ticket werden ihr abgenommen und dem Piloten
übergeben. Bei der Ankunft in Zürich um 8.50 Uhr wird sie von einem Mann in
Zivil abgeholt und in einen Raum gebracht.
Funkstille bei der Flughafenpolizei
Der erwartete Telefonanruf bleibt aus, auf das per Fax rechtzeitig
eingereichte Asylgesuch kommt keine Reaktion der Flughafenpolizei. Auf
telefonische Nachfrage beim Chef kommt um 11 Uhr die Information: «Ja, die
ist jetzt leider schon unterwegs nach Genf, die CGS hat sie im
Inadmissible-Center gehabt. Die Frau habe aber gar nichts gesagt von
Asyl...» Allwäg, wers glaubt … Jetzt wird es knapp. Der Weiterflug ins
Heimatland verlässt Genf um 12.20 Uhr. Die Flughafenpolizei in Genf
anrufen? Ein freundlicher Beamter verspricht, alles zu unternehmen, um die
Frau zu finden. Er findet es daneben, was da passiert sei: «Là, il faut
tapper quelqu'un sur les doigts.» Um 12 Uhr kommt der Rückruf: «On a trouvé
la dame, nous lui avons rendu tous les documents confisqués, elle va
retourner avec le prochain vol vers Zurich …» Folgt Flugnummer,
Ankunftszeit und -ort. Chapeau. Um 16 Uhr rattert die unterschriebene
Vollmacht aus dem Fax.
Für einmal endet die Geschichte gut, nach dem Transitverfahren wird die
Einreise bewilligt. Was aber ist mit all denen, die spurlos verschwinden,
weil niemand von ihnen weiss?
augenauf Zürich
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