Bulletin Nr. 38; Juni 2003
Mit Gummischrot, Tränengas und DNA-Analysen gegen
FriedensaktivistInnen
Die Basler Polizei in Kriegszeiten
Der US-Krieg gegen den Irak trieb Millionen von Menschen auf die
Strassen. Auch in Basel demonstrierten tausende. Das aggressive Verhalten
der Basler Polizei hat zur Gründung eines neuen Anti-Repressions-Telefons
geführt.
Zu Beginn des Irakkriegs war die Basler Polizei nach eigenen Angaben nicht
zu beneiden: Eine sehr selten gewordene Dichte an Demos versetzte die
Beamten in Alarmbereitschaft. Die - vielen jungen - DemonstrantInnen
wanderten durch die Stadt und legten gelegentlich den Verkehr im Zentrum lahm.
Hatten im letzten Dezember noch einige hundert Personen gegen einen
möglichen Krieg im Irak demonstriert und damit der FDP den freien
Weihnachts-Samstags-Einkauf vermiest, fanden sich am Tag nach
Kriegsausbruch tausende von Menschen in den Strassen wieder. Am Morgen
waren es laut Medienberichten 7000 SchülerInnen, die nach der grossen Pause
ihre Schulhäuser verliessen und sich auf dem Barfüsserplatz versammelten.
Ein beeindruckender Marsch zog mit Gesängen, Sprechchören und
fantasievollen Transparenten durch die Innenstadt.
Für den Abend rief das Basler Bündnis gegen den Krieg zu einer Demo auf.
Wieder kamen mehrere tausend Leute, die auf der etwa gleichen Route
demonstrierten.
Und - arme Polizei! - bereits 24 Stunden später zogen erneut die Horden,
die sich mit dem Krieg nicht einverstanden erklärten, durch die Strassen.
Mittlerweile war die Stadt prophylaktisch mit knallorangen Töffpolizisten
gespickt, und die Rollläden am Bankenplatz waren allesamt heruntergezogen.
Massenkontrolle auf der Mittleren Brücke
Zur Eskalation kam es am Samstagabend, 22. März. Nach der nationalen
Antikriegsdemo in Bern (an der die Polizei Tränengaspetarden auf den mit 40
000 Menschen gefüllten Bundesplatz abschoss) fand in Basel ein
antifaschistischer Abendspaziergang statt. Gleichzeitig lümmelten
zahlreiche frustrierte Fussballfans in der Stadt herum, was die Nervosität
der Polizei steigerte. Schliesslich kesselten die Beamten die Demonstration
auf der Mittleren Brücke ein und traktierten die ManifestantInnen mit
Gummischrot und Tränengas. 177 Menschen, fast die Hälfte von ihnen
minderjährig, mussten ihre Personalien angeben. Es kam auch zu einzelnen
Verhaftungen und unschönen Prügelszenen. Mehrere TeilnehmerInnen der Demo
mussten erfahren, dass der Wille sich auszuweisen keineswegs davor schützt,
von der Polizei zusammengeschlagen zu werden.
In den folgenden Tagen veranstaltete die Polizei eine regelrechte Hatz auf
politisch denkende Jugendliche. Es gab etliche Kontrollen, Verhaftungen und
Verletzte. Ein Velofahrer landete beispielsweise nackt in einer
Arrestzelle, ein anderer Jugendlicher wurde von der Polizei zu Boden
geprügelt und dann von einem Polizeihund mehrmals gebissen.
Üblicherweise vergeht einige Zeit zwischen Verhaftung und Vorladung - nicht
so diesmal. Die meisten ersten Einvernahmen zur Demo wurden bereits im
April abgehalten. Alle Vorgeladenen wurden des Landfriedensbruchs
beschuldigt, einzelne erhielten Zugaben wie Sachbeschädigung, Gewalt und
Drohung gegen Beamte, versuchte einfache Körperverletzung mit einem
gefährlichen Gegenstand etc. Einer wurde ein zweites Mal zum
erkennungsdienstlichen Fotoshooting aufgeboten, weil seine Fahndungsfotos
nach Angaben der Polizei misslungen seien ...
Von mehreren Betroffenen - viele davon minderjährig - wissen wir, dass sie
einen DNA-Abstrich über sich ergehen lassen mussten. Wofür diese Massnahme
genau dienen soll, ist nicht bekannt. Gerüchteweise wird kolportiert, dass
die Abstriche irgendwo zwischenlagern. Niemand denke daran, die 600-800
Franken teure Analyse pro Probe durchzuführen. Wurde die Probe also nur
genommen, um die Jungs und Mädels einzuschüchtern?
FDP-Regierungsrat Jörg Schild, oberster Polizeichef des Kantons, hat sich
zu den Vorfällen in der Öffentlichkeit bisher nicht geäussert. Das Reden
vor den Seinen fällt ihm offenbar leichter: Anfang Mai bekundete er an
einer Zusammenkunft des Polizeiverbandes seine Solidarität mit seinen
Untergebenen.
Aufgrund all dieser Vorkommnisse formierte sich ein Komitee besorgter
Eltern (Postfach 42, 4004 Basel, Tel. 076 475 75 34) sowie eine
Anti-Repressions-Gruppe, die ein Anti-Rep.-Telefon betreut. Die Gruppe
sammelt Informationen zu den Kontrollen, Verhaftungen und Verletzungen und
versucht, Betroffenen weiterzuhelfen. Die Vernetzung der Betroffenen ist
wichtig, damit niemand der Polizei alleine gegenüberstehen muss. Kontakt
zum Anti-Rep.-Telefon gibts über Tel. 079 608 91 86 (während Aktionen
offen, sonst Combox) oder per Post an Anti-Rep.-Telefon, c/o augenauf,
Postfach 527, 4005 Basel.
augenauf Basel
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