Bulletin Nr. 38; Juni 2003
Eine Umfrage von augenauf Basel zeigt: Schwarze werden von
Polizeibeamten diskriminiert
Mit der Polizei kommt die Angst
Fremdländische Menschen, vor allem wenn sie eine dunklere Hautfarbe
aufweisen, haben in der Schweiz nicht viel zu lachen, speziell seit
Rechtsbürgerliche den so genannten «Asylrechtsmissbrauch» zum billigen
Dauerwahlkampfthema hochstilisiert und sich die Medien quer durchs Land auf
die «schwarzen Kügelidealer» eingeschossen haben.
Negativberichterstattung, Hetzpropaganda, latenter Rassismus, Angst vor
Fremdem und Verunsicherung haben ihre Auswirkungen - auch auf die Arbeit
der Polizei.
Nicht nur in Winterthur (siehe Artikel auf der ersten Seite dieses
Bulletins), auch in Basel kann seit einigen Jahren eine zunehmende
Fokussierung polizeilicher Kontrolltätigkeit auf Menschen mit dunkler
Hautfarbe beobachtet werden. Dabei erschrecken immer wieder unschöne
Szenen, von sehr rüdem Umgangston über Demütigungen bis hin zu
unverhältnismässiger Gewaltanwendung.
augenauf Basel wollte wissen, ob dieser negative Eindruck der Realität
entspricht oder ob er einer «déformation professionelle» entspringt. Zu
diesem Zweck führten wir eine Umfrage mittels eines mehrseitigen
Fragebogens durch. Speziell interessierte uns:
- Werden Schwarze tatsächlich übermässig oft und mit wenig Anstand
kontrolliert?
- Wenn ja, ist die Gesamtheit der dunkelhäutigen Menschen Basels betroffen
oder nur eine spezielle Gruppe?
- Wie erleben die Betroffenen diese Situation?
Die Umfrage wurde im September 2002 mit fragebogengestützten Interviews
gestartet und dauerte bis Ende November.
Insgesamt 25 Personen konnten befragt werden - weniger als angestrebt.
Gründe für diese doch eher magere Ausbeute waren sicherlich Komplexität und
Umfang des Fragebogens. Es bedurfte schon einer speziellen Motivation, um
sich durch das Werk zu arbeiten. Zudem zeigte sich, dass es mit einem
einfachen Abhaken der Fragen nicht getan war, sondern dass es vertiefter
und zeitaufwändiger Gespräche bedurfte.
Aufgrund der Antworten kann festgestellt werden, dass es sich bei den
Befragten nicht um die «typische augenauf-Klientel», sondern um einen viel
weiteren Personenkreis handelt: Schilderungen von polizeilichen
Gewaltexzessen bildeten die Ausnahme. Die von Behörden und Medien
kommunizierte «Feindbildgruppe» («jugendliche, herumlungernde
Asylbewerber») konnte mit der Umfrage nicht erreicht werden: kein einziger
der Befragten war unter 18 Jahre alt, mehr als die Hälfte war jenseits der
30. Praktisch alle besassen eine Niederlassung, nur gerade drei befanden
sich im Asylverfahren.
Trotzdem oder vielmehr gerade deshalb müssen die Ergebnisse der Umfrage als
alarmierend gewertet werden. 72 Prozent der Befragten waren in den
vergangenen 12 Monaten Ziel von Polizeikontrollen geworden, bei 64 Prozent
erfolgte eine solche mehrfach. 56 Prozent der Kontrollierten bzw. 67
Prozent aller Kontrollen endeten (trotz gültiger Papiere) auf einem
Polizeiposten, wo die «näheren Abklärungen» nahezu jedes Mal in
Leibesvisitationen bestanden.
Androhung von Gewalt - verbal oder durch Gesten - ist keine Seltenheit,
erfreulicherweise scheint aber die tatsächliche Gewaltanwendung bei
Kontrollen eher die Ausnahme zu sein.
Signifikant anders verhält es sich mit dem Umgangston: unhöfliches
Verhalten, abschätzige Bemerkungen und Beleidigungen seitens der BeamtInnen
sind der Normalfall. Nur gerade zwei Kontrollierte gaben an, immer höflich
behandelt worden zu sein. Verbreitet ist der Eindruck, als «Menschen
zweiter Klasse» betrachtet zu werden; «Erniedrigung», «Demütigung»,
«Diskriminierung» und «Rassismus» sind häufig gehörte Stichworte. Bei den
wenigen Fällen, in welchen tatsächlich Gesetzesübertretungen festgestellt
wurden (je einmal Hanfbesitz, falsches Parkieren, Velofahren ohne Licht)
wurden unverständlicherweise Mittel eingesetzt, welche bei hellhäutigen
SchweizerInnen niemals zur Anwendung gekommen wären (Handschellen,
Leibesvisitation, ED-Behandlung usw.).
Materiell gesehen hatten die Polizeikontakte für die Betroffenen mangels
Straftatbeständen in der Regel keine Folgen. Der nicht materielle Schaden,
welcher durch unverhältnismässige Polizeiaktivitäten verursacht wird, ist
jedoch immens. So gibt es viele, die bestimmte Gebiete der Stadt (konkret:
das Kleinbasel) der Kontrollen wegen zu meiden begonnen haben.
Angstzustände beim Auftauchen einer Polizeiuniform sind selbst bei völlig
Unbescholtenen keine Seltenheit. Und nicht zuletzt hat für diese Menschen
das Image der Schweiz durch ihre Erlebnisse stark gelitten.
Ein grosses Problem scheint auch die Behandlung durch Zollorgane zu sein.
Obwohl dies nicht Thema der Umfrage war, beklagten sich mehrere Personen
über enorm schlechte Behandlung bei Grenzübertritten, wobei auffällt, dass
deutsche und französische Zollbeamte wesentlich bessere Noten erhielten als
ihre Schweizer Kollegen.
Nahezu alle Befragten äusserten sich zu allgemeinen Erfahrungen mit
Behörden und Ämtern, mehr als die Hälfte fühlte sich hier schlecht
behandelt und wiederum die Hälfte führte dies auf die Hautfarbe zurück.
Bei den Befragungen stellten wir fest, dass eine Erhebung zu einem derart
heiklen Thema mittels Fragebogen schwierig ist, insbesondere da es sich bei
der anvisierten Zielgruppe um Menschen mit anderem kulturellen Hintergrund
handelt. Faktoren wie Ängste, Misstrauen, Schamgefühle, Rollenverhalten
oder auch nur die individuelle Definition von Begriffen (z. B. «Gewalt»)
erschweren die Gespräche und müssen in die Interpretation der Resultate
einbezogen werden. Für manche mag während des Interviews auch eine Art
«Verhörsituation» entstanden sein. In einigen Fällen erlebten wir, wie sich
spontane Angaben auf vorformulierte Antworten im freien Gespräch ins
Gegenteil verkehrten; so wurde zum Beispiel aus einem abwehrenden «keine
Probleme mit der Polizei» allmählich ein ganzer Katalog negativer Erlebnisse.
Unsere Umfrage ist nicht repräsentativ. Dennoch machen die Ergebnisse
deutlich, dass die Hautfarbe ein gewichtiges Kriterium bei der Behandlung
von Menschen darstellt. Die detaillierten Umfrageergebnisse finden Sie
unter: www.augenauf.ch/bs/projekte/usbs/index.htm.
augenauf Basel
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