Bulletin Nr. 37; März 2003

Der Kanton Zürich setzt Leute ohne Papiere auf die Strasse und fordert sie auf, das Land zu verlassen

Behördenbefehl: Illegal über die Grenze

Wer aus der Ausschaffungshaft entlassen wird, sollte eine Haftentlassungsverfügung sowie eine Adresse bekommen, an die er oder sie sich wenden kann. Sollte.

Zwischen Glattbrugg und Rümlang liegt das Ausschaffungsgefängnis des Kantons Zürich. Es dürfte wohl das grösste Gefängnis dieser neuen Spezies in der Schweiz sein. Gut hundert Plätze sind dauernd besetzt. Kaum ist ein Platz frei, kommt die oder der nächste «Usschäffeler», wie die Angestellten die Gefangenen anbiedernd nennen. Ein gutes Drittel «liefert» der nahe Flughafen Zürich-Kloten, wo zahlreiche Asylgesuche im Schnellverfahren erledigt werden. Sie betreffen also Frauen und Männer, die noch keinen Fuss in die Schweiz gesetzt, also nie die Gelegenheit hatten, die innere Sicherheit des Landes zu gefährden. (Dies war ja ursprünglich der deklarierte Zweck der Zwangsmassnahmen.) Von der Öffentlichkeit unbemerkt, ist dieses Gefängnis zur Aufbewahrungs-Filiale des Flughafentransits umfunktioniert worden.
Nun ist es allerdings keineswegs so, dass Ausschaffungshaft immer zur Ausschaffung führt. Es gibt Länder auf dieser Welt, wohin kein Polizist und kein Privatjetpilot fliegen würden, weil die Sicherheit dies nicht ratsam erscheinen lässt, z. B. nach Afghanistan, in die Demokratische Republik Kongo, nach Somalia und neuerdings an die Elfenbeinküste. Dies hindert aber die Behörden nicht, die Haft zu verfügen und auch noch zu verlängern. Nach drei oder auch sechs - kostspieligen - Monaten kommt es dann zur Entlassung ins Landesinnere.
 
Illegal auf behördliche Verordnung
1995 entschied das Bundesgericht, dass allen Menschen ein Minimum an Existenzsicherung zu gewährleisten sei - auch bei «nicht geregeltem Aufenthalt». Der Kanton Zürich nahm dies zur Kenntnis und fand nach langem Hin und Her eine Regelung. Wer vom Flughafen kam, reiste zur Empfangsstelle und dann in den Kanton Zürich, wo ihm oder ihr ein Platz in einem Durchgangszentrum zugewiesen wurde. Wer sich schon vorher im Landesinnern aufgehalten hatte, erhielt eine Adresse des Zuweisungsbüros und konnte sich dort melden.
In letzter Zeit häufen sich nun die Meldungen, dass bei der Haftentlassung weder Adresse noch Haftentlassungverfügung mitgegeben werden. Dafür wird der oder die Entlassene ultimativ aufgefordert, die Schweiz innerhalb von 48 Stunden zu verlassen. Ohne Papiere, illegal, auf behördliche Verordnung. Was bis zu diesem Zeitpunkt ein Haftgrund war, wird nun befohlen, vom gleichen Amt.
So kommt es, dass sich z. B. M. spät nachmittags nach Büroschluss auf dem Bahnhof Glattbrugg befindet. Ein Taxi hat ihn vom Gefängnis abgeholt und dort abgestellt. In der Tasche hat er 45 Franken. Das reicht zwar für ein Billett nach Zürich, aber kaum für eine Übernachtung. Und wo könnte er übernachten ohne einen Ausweis? Die Temperatur ist nahe dem Nullpunkt, es regnet und schneit. Das ist also diese Schweiz von innen, ohne Gitter.
Ein Landsmann spricht ihn an und nimmt ihn mit nach Hause. Spätabends folgt ein Telefonanruf an die Rechtsvertreterin. So reist er am nächsten Morgen doch noch nach Kreuzlingen und kommt ein paar Tage später in den Kanton Zürich zurück.
Jetzt friert er in einem feuchten Zivilschutzbunker und kann nicht ins Freie, weil er keine warmen Kleider hat. Aber das ist eine andere Geschichte... Oh, du mein Heimatland.

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