Bulletin Nr. 36; Dezember 2002
Der Bund exportiert seine Ausschaffungsgefängnisse
Ein Schweizer Knast in Senegal
Die staatlich angeschobene Kampagne gegen Afrikaner, die seit
einigen Monaten für das Drogenelend in der Schweiz verantwortlich sein
sollen, zeigt Wirkung. Wirkung in der Bevölkerung, wo Afrikaner das
Feindbild «Ex-Jugoslawen» (Albaner, Türken, Tamilen, Kurden …) ersetzt
haben. Wirkung aber auch in den staatlichen Institutionen. Der Bund will
einen extraterritorialen Knast durchsetzen.
Es war der 11. Oktober. Die Stadtzürcher SVP lud zur Pressekonferenz.
Seither tuckert die Mitteilung über ihre Homepage, dass renitente
Flüchtlinge interniert werden müssen. Die Zürcher FDP doppelte sofort per
Pressemitteilung nach. Internierung bringe nichts. SVP-Regierungsrätin Rita
Fuhrer solle endlich ein «Rayonverbot für Asylsuchende aus Schwarzafrika»
verhängen. Dann zogen die Behörden nach. Urs Schwarz vom Migrationsamt
explizierte der FDP, wie das Gesetz lautet. Generelle Rayonverbote für
Schwarze lägen nicht drin. Aber man ziehe die Schrauben an. Wenn ein
Polizist finde, dass ein schwarzer Asylbewerber an der Langstrasse
unerwünscht sei, werde ihm auf dem Posten «protokollarisch» ein Rayonverbot
angedroht. Werde er nochmals angehalten, werde dann ein Rayonverbot
verhängt. So materialisiert sich rassistische Hetze.
Den migrationspolitischen Hammer dieses 11. Oktobers haben die Journalisten
jedoch flott übersehen. Er kam aus Bern. In einer Pressemitteilung
kommunizierte Ruth Metzler, dass man mit Senegal ein Transitabkommen
paraphiert habe. Das dürfte eine Weltneuheit sein. Denn nicht die
Durchreise ist Thema dieses Transitabkommens, sondern die schrittweise
Abschiebung unerwünschter AusländerInnen, was die Schaffung eines Schweizer
Internierungslagers in Dakar nötig macht.
Von der «Abidjan-Route» nach Dakar
Einigen LeserInnen dürfte die «Abidjan-Route» noch ein Begriff sein. 1999
deckte augenauf auf, dass abgewiesene Asylsuchende in die Hauptstadt der
Elfenbeinküste deportiert und in einer dreckigen Zelle auf dem Flughafen
von den lokalen Behörden interniert wurden. Ein von der Schweiz
geschmierter Anwalt erhielt den Auftrag, die weitere Abschiebung dieser
Menschen in Drittstaaten zu organisieren. Im Januar 2000 beschrieb die
Westschweizer Journalistin Beatrice Guelpa im «L'Hebdo» die mafiösen
Methoden, mit denen die Schweizer Behörden diesen Deal realisiert haben.
Ein lokaler Polizeichef erhielt Geld, damit er Zellen zur Verfügung stellte
und die ganze Übung deckte. Die Regierung der Elfenbeinküste war empört und
stoppte die Aktionen. Noch heute sagt Urs von Arb vom Bundesamt für
Flüchtlinge, die Interventionen von augenauf hätten dem BFF damals das
Handwerk gelegt.
«global migration management»
Doch von Arb kann triumphieren. Mit dem Transitabkommen mit Senegal wird
das «Abidjan-Konzept» der Schweizer Ausschaffungsbürokratie nun in die
offizielle Form eines Staatsvertrages gegossen. Wie die Schweiz die
senegalesischen Potentaten dazu gebracht hat, papierlose Flüchtlinge, die
erwiesenermassen nicht senegalesische StaatsbürgerInnen sind, in ihr Land
zu lassen, sie dort zu inhaftieren, mit ihnen die Botschaften anderer
afrikanischer Länder zu besuchen und sie dann auch noch weiter zu
deportieren, konnten die BFF-SprecherInnen dem «Vorwärts» nicht sagen. Dass
die Leute in Dakar faktisch in Ausschaffungshaft sitzen, ist jedoch
unbestritten.
Das Transitabkommen mit Senegal ist die Vorlage für ein Konzept, das
weltweit unter dem Titel «global migration management» firmiert.
Flüchtlinge sollen in Sammellagern im Süden konzentriert werden - die
entwickelten Länder wählen aus, welche Kontingente sie nach Europa
einreisen lassen. Migrationsattachés bestimmen das Grenzregime der Länder
des Südens. Ein Staatsvertrag, der ein Ausschaffungslager im Flughafen von
Dakar legalisiert, ist der Anfang eines Prozesses, dessen Ausgang absehbar
ist.
Dieser Artikel ist in der Ausgabe Nr. 42 im «Vorwärts» erschienen. Er wurde
von augenauf leicht bearbeitet.
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