Bulletin Nr. 35; September 2002
Weder anerkannt noch ausschaffbar
Gedanken zum dornenvollen Leben von Flüchtlingen in der Schweiz.
Von einem Mann, der als «Sans-Papiers» lebt.
Lauscht man den Reden der offiziellen Schweiz über Menschenrechte und die
humanitäre Tradition dieses Landes, könnte man zum Schluss kommen, dass die
Schweiz die meisten Flüchtlinge aufnimmt und sie gut behandelt. Dies ist
jedoch nur der Schein, die Realität sieht anders aus. Einige Fragen in
diesem Zusammenhang müssen geklärt werden:
- Wie viele Flüchtlinge erhalten einen Status, der ihnen ein «normales
Leben» erlaubt?
- Wie vielen hingegen werden die Rechte entzogen? Wie leben sie?
Ich möchte hier über das Schicksal der Menschen berichten, die in die
zweite Kategorie gehören: Flüchtlinge, die nie anerkannt werden, aber auch
nicht ausschaffbar sind.
Zuerst müssen sie ihre Grundbedürfnisse (ausser Essen und Obdach) mit zwei
Franken pro Tag decken: Wie sollen sie eine Fahrkarte kaufen? Wie sollen
sie sich Kleider besorgen? Ihr einziges Verbrechen ist, dass sie um Asyl
gebeten haben. Einige von ihnen haben bereits sechs Monate in
Ausschaffungshaft verbracht, bevor sie in eine so genannte Notunterkunft
(NUK) versetzt werden. In den unterirdischen Bunkern ist die Belüftung
ungenügend, zum Teil werden 25 Personen einem Schlafraum zugewiesen,
eingepfercht wie Vieh.
Diese Menschen leben in einem totalen Abhängigkeitsverhältnis, und es ist
ihnen strikt verboten zu arbeiten. So ist es nicht verwunderlich, wenn sie
untätig sind, sich langweilen oder stehlen.
Im Fall der «Sans-Papiers» ist das Arbeitsverbot nicht auf sechs Monate
beschränkt (wie bei den N-Bewilligungen), sondern es bleibt bestehen,
solange die Person in der Schweiz ist. Diese Situation schafft Probleme und
bringt keine Lösungen.
Obwohl ihnen alle Türe verschlossen sind, kämpfen die meisten von ihnen
hart, um sich in die Gesellschaft zu integrieren. Warum erhalten sie nicht
das Recht zu arbeiten, damit sie ihr Leben selbständig führen können? Warum
werden diese Kräfte einfach ignoriert, obwohl die Gesellschaft sie brauchen
würde?
Es ist an der Zeit, dass man über diese Situation nachdenkt, weil Verbote
und Repression allein keine Lösung darstellen. Wir können und müssen
Politiker und Behörden zur Verantwortung ziehen. Es ist ein Irrtum zu
meinen, die Lösung liege in Massenausschaffungen oder in der Schaffung von
legalen «Sans-papiers».
Von augenauf Zürich aus dem Französischen übersetzt und leicht gekürzt.
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