Bulletin Nr. 35; September 2002
7. Juli 2001 - Cemal G. stirbt in Polizeigewalt
Wo bleiben die Konsequenzen ?
Vor mehr als einem Jahr, am 7. Juli 2001, starb der 42-jährige
kurdische Flüchtling Cemal G. an den Folgen eines brutalen Einsatzes der
Sondereinheit «Stern» der Stadtpolizei Bern.
Am Abend des 3. Juli 2001 hatten Nachbarn der Familie G. die Polizei
alarmiert, weil der bekanntermassen psychisch angeschlagene Cemal G. seine
Familie bedrohte. Die kurze Zeit später eingetroffenen Streifenpolizisten
brachen die Tür der Wohnung auf und brachten Frau und Kinder in Sicherheit.
Damit war die Gefahr gebannt. Die Polizei hätte warten können, bis Cemal G.
sich von selbst beruhigt hätte.
Tränengas, Gummigeschosse, Schlagstöcke
Stattdessen wurde die Sondereinheit «Stern» der Stadtpolizei Bern
aufgeboten, die offensichtlich auf eine gewaltsame Lösung setzte - und das,
obwohl sie von Cemal G.s Psychiater vor Ort über dessen Probleme informiert
worden war. Die «Stern»-Polizisten setzten alle erdenklichen Zwangsmittel
gegen Cemal G. ein: Tränengas, Pfefferspray, Gummigeschosse, eine
Blendschock-Granate, Schlagstöcke. Gegen 23.30 Uhr konnten sie ihn
überwältigen. Videoaufnahmen von Nachbarn zeigen, wie «Stern»-Beamte
mindestens 15 Mal hintereinander, teilweise auch mit dem harten Griff des
Mehrzweckstocks, auf Cemal G.s Kopf einschlugen. Dem am Boden liegenden
Cemal G. wurde ein Beruhigungsmittel verabreicht. Er erlitt einen
Herz-Kreislauf-Stillstand und musste von einem Notarzt wiederbelebt werden.
Vier Tage später starb er im Inselspital.
Mehr als ein Jahr nach Cemal G.s Tod ist das Strafverfahren gegen die
Polizisten immer noch im Stadium der Voruntersuchung. Cemal G.s Ehefrau
hatte auch eine Privatklage gegen die Stadtpolizei Bern eingereicht. Anfang
Juli 2002, ein Jahr nachdem Cemal G. von den Berner «Stern»-Polizisten
umgebracht wurde, haben augenauf Bern, Junge Alternative und das Grüne
Bündnis in Bern eine Erinnerungskundgebung organisiert. Sie protestierten
gegen das Vorgehen der Polizei, forderten, dass die verantwortlichen
Polizeibeamten zur Rechenschaft gezogen werden, und dass der Einsatz, der
zu Cemal G.s Tod geführt hatte, rückhaltlos aufgeklärt wird.
Die Polizeigewalt, die von den Behörden in der Regel verneint wird, kann in
diesem Fall mit Videoaufnahmen belegt werden. Der Verdacht, dass die
Behörden auf Zeit spielen, um den Effekt dieser Aufnahmen vergessen zu
lassen, ist berechtigt. augenauf Bern wird den Fall Cemal G. aufmerksam
weiterverfolgen.
augenauf Bern
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