Bulletin Nr. 35; September 2002
Ausgrenzungsverfügungen gegen Asylsuchende im Kanton Zug
«Neger, zeig de Uuswis»
Mitte August 2002 erhielten vier Asylsuchende - wohnhaft im Kanton
Zug - ein Verbot, das Stadtgebiet Zug zu betreten. Der Grund: Sie gaben zu,
Marihuana konsumiert zu haben.
Innerhalb weniger Tagen hielt die Polizei vier junge Afrikaner einzeln an
und führte sie dem Amt für Ausländerfragen Zug zu. Sie wurden verhaftet,
obwohl bei vorgängiger Durchsuchung nichts Belastendes sichergestellt
werden konnte. Auf der Fremdenpolizei gaben alle zu, gelegentlich Marihuana
zu konsumieren. Daraufhin wurde ihnen jeweils eine Ausgrenzungsverfügung
überreicht. Die Verfügungen zeugen von Schlampigkeit. Datum und Adressat
gingen vergessen. In einem Fall wurde ein entwendetes (in Wahrheit nur
ausgeliehenes) Fahrrad als Beweis für eine Verwicklung in den Drogenhandel
angeführt.
Ärger im Grünen
Die Rössliwiese liegt im Zentrum von Zug, direkt am See. Sie dient im
Sommer als Jugendtreffpunkt. Seit Jahren sind Abfall und Ruhestörung ein
Ärgernis. Die Reaktion der öffentlichen Hand bestand bisher aus zwei
herzigen Polizisten, die jeweils am Wochenende patrouillierten und - in der
Regel sehr höflich - darum baten, am Ende des Abends den Abfall wegzuräumen.
Nun hat sich die Polizeipraxis geändert. Anlass dazu waren Gerüchte wegen
Drogenhandels - damit sind kleinere, unprofessionelle Marihuanadealereien
gemeint, die es seit Jahren gibt. Neu ist lediglich eine Gruppe junger
Männer dunkler Hautfarbe, die sich regelmässig auf der Rössliwiese aufhält.
Eine Testaktion wurde gestartet, die zeigen sollte, ob vermehrte Repression
das «Drogenproblem» auf der Rössliwiese löse. Wenige Tage nach Beginn
dieser Aktion landete ein Polizist im See. Dies dient nachträglich als
Legitimation, um den «rechtsfreien Raum» wieder unter Kontrolle zu bringen.
Die Polizei gibt Gas
Einige Wochen lang waren mehrere Polizeikontrollen pro Tag die Regel. Die
Polizeibeamten verhielten sich oft schikanös. Junge politische Aktivisten
wurden grundlos verhaftet, eine Person zusammengeschlagen. Es fielen
Sprüche wie «Neger, zeig de Uuswis» (Opfer schwarz) oder «Ich chan dich au
z'todficke, wenn ich wett» (Opfer weiss). Die Kontrollen richteten sich
nicht nur gegen Schwarze. Doch man ging offensichtlich gezielt gegen sie
vor. Die übrigen BesucherInnen der Rössliwiese fühlten sich vermehrt
veranlasst, verbal einzuschreiten. Dadurch wurde die Tätigkeit der
Polizisten erschwert und zum Teil verunmöglicht. Als klar wurde, dass die
Aktion kein Ergebnis erzielen würde, griff man zu anderen Mitteln. Schwarze
wurden beim Verlassen der Wiese abgepasst und eingepackt, bevor jemand
einschreiten konnte. Eine Person wurde sogar aus dem Bus geholt. Auf dem
Amt für Ausländerfragen warteten Beamte, die angewiesen waren,
Ausgrenzungsverfügungen gegen Personen zu verhängen, die verdächtigt
wurden, die öffentliche
Sicherheit und Ordnung zu stören. Dies ist gesetzlich fragwürdig, zeigte
jedoch die gewünschte Wirkung. Schwarze Asylsuchende, die in Zug leben,
bleiben dem Stadtgebiet fern, da sie Angst haben, ebenfalls ein solches
Verbot zu erhalten.
Eine fragwürdige Praxis
Eine Ausgrenzungsverfügung kann nach Artikel 13e ANAG (Bundesgesetz über
Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer) über Personen ohne geregelten
Aufenthaltsstatus verhängt werden, die die öffentliche Sicherheit und
Ordnung stören oder gefährden. Bei Zuwiderhandlung droht Ausschaffung oder
bis zu einem Jahr Knast. In der Regel werden nur Personen ein- oder
ausgegrenzt, denen der Handel mit harten Drogen im grösseren Ausmass
nachgewiesen werden kann. Nun wird diese Massnahme gegen Personen
verwendet, die lediglich zugaben, eine de facto liberalisierte Droge zu
konsumieren. Selbst wenn man Handel mit Marihuana hätte nachweisen können,
wäre eine Ausgrenzungsverfügung unverhältnismässig. Nicht jedoch in Zug:
Hier genügt der blosse Verdacht, wie das Ergebnis der Beschwerde einer
Privatperson gegen diese Praxis zeigt. Sie wurde vom Verwaltungsgericht
abgewiesen.
augenauf Zürich
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