Bulletin Nr. 35; September 2002

Das BFF gibt illegal Daten von Flüchtlingen ans Heimatland preis

Wie «Vollzugsunterstützung» funktioniert

Eine spezielle Abteilung beim Bundesamt «für» Flüchtlinge soll den Kantonen beim Ausschaffen helfen. Ein klarer Gesetzesbruch gilt dort als «bedauerlicher Fehler».
Die «Abteilung für Vollzugsunterstützung» des BFF (Bundesamt für Flüchtlinge) soll Laissez-passer (einmalig gültige Einreisepapiere) beschaffen, Sonderflüge organisieren und den «Migrationsdialog» mit anderen Ländern führen. Effizienz wird gross geschrieben - da können schon einmal Fehler passieren. Fehler, die für die Betroffenen tödlich sein könnten. So zum Beispiel für Frau K.
Frau K. floh aus einem der vielen Kriegsgebiete der Demokratischen Republik Kongo über Kamerun in die Schweiz. Es gibt sehr gute Gründe, die wir hier nicht erzählen wollen, warum sie unmöglich nach Kongo zurück kann.
Am Flughafen Zürich stellte Frau K. ein Asylgesuch. Ohne Prüfung wurde es sofort zurückgewiesen («vorsorgliche Wegweisung» heisst der juristische Vorgang), die Beschwerde durch die Asylrekurskommission abgelehnt. Kamerun sei ja ein sicheres Land, lautete die Argumentation. Frau K. weigerte sich, in ein Flugzeug nach Kamerun einzusteigen, und kam in Ausschaffungshaft. Kamerun weigerte sich später, die Flüchtlingsfrau zurückzunehmen. Die Zürcher Beratungsstelle für Asylsuchende lehnte es in der Folge ab, Frau K. weiterhin juristisch zu unterstützen, da ihr Mandat auf das Transitverfahren beschränkt ist. Bis dahin ist Frau K.s Aslygesuch nicht inhaltlich beurteilt worden.
 
Daten ans Fluchtland weitergegeben
So weit, so schlecht - ein alltäglicher Skandal im Rahmen des Schweizer Rechtsstaates. Das Folgende sprengt diesen Rahmen: Die «Abteilung für Vollzugsunterstützung» bat in einem Routinebrief die Botschaft der Demokratischen Republik Kongo um einen Termin für die Befragung von mehreren «sich illegal in der Schweiz aufhaltenden» Personen. Ausserdem wurde behauptet, die betreffenden Personen möchten freiwillig nach Kongo zurückkehren. Dem Brief waren Auszüge aus den Befragungsdossiers der angeblich «Illegalen» beigelegt.
Das Vorgehen der BFF-Leute war im Fall von Frau K. mehr als eine «normale» Schweinerei. Es war schlicht illegal. Gemäss Asylgesetz (Artikel 97) dürfen die Schweizer Behörden die Identität einer flüchtenden Person dem Heimatland nicht bekannt geben. Es sei denn, das Asylgesuch wurde geprüft und für haltlos befunden. Frau K.s Asylgründe wurden inhaltlich aber nie geprüft, da man sie ja nach Kamerun deportieren wollte. Also ging die Behörden von Kongo Frau K.s Identität nichts an - schon gar nicht Details aus ihren Akten.
 
Ein Einzelfall?
Gegen das Vorgehen der forschen Ausschaffungshelfer im BFF protestierte nicht nur die augenauf-Mitarbeiterin, welche die Vertretung von Frau K. notgedrungen übernommen hatte, sondern auch das UNHCR (Uno-Flüchtlingshilfe) und die schweizerische Flüchtlingshilfe. Auf Nachfrage der Zeitung «Vorwärts» sprach man im BFF von einem «bedauerlichen Fehler», der in Zukunft durch die interne Qualitätssicherung unterbunden würde.
augenauf kennt einen weiteren, ganz ähnlichen Fall. Das Hauptproblem ist aber, dass es eine riesige Grauzone gibt. Das augenauf-Mitglied, das sich mit grösstem persönlichen Engagement und juristischer Fachkenntnis für Flüchtlinge im Transit des Zürcher Flughafens einsetzt, schafft maximal etwa 10 «Fälle» gleichzeitig. Es sitzen aber manchmal bis zu 100 Flüchtlinge im Flughafengefängnis fest, davon ein gutes Drittel direkt aus dem Flughafenverfahren. Die meisten sind ohne Rechtsvertretung. Viele von ihnen sollen in ein «Drittland» weggewiesen werden, ohne dass das BFF auch nur die Asylgründe prüft. Wer garantiert, dass die famose «Abteilung für Vollzugsunterstützung» nicht mit weiteren Menschen so verfährt wie mit Frau K.? Die Sprecherin des BFF sah das alles nicht so dramatisch. Es herrsche «courant normal», sagte sie dem «Vorwärts».
augenauf Zürich

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