Bulletin Nr. 34; Mai 2002
Unwissenheit schützt doch vor Strafe
Samson Chukwu: Kantonsgericht stellt Verfahren ein
Die juristische Beurteilung im Fall Chukwu ist einen Schritt
weiter: Das Kantonsgericht lehnt den Rekurs gegen die Einstellung des
Verfahrens ab.
Die schlechte Nachricht aus dem Kanton Wallis kam nicht ganz unerwartet.
Mitte März hat die Strafkammer des Kantonsgerichts entschieden, dass die
Einstellung des Verfahrens gegen die Polizisten, die für den Tod von Samson
Chukwu verantwortlich sind, richtig war. Somit übernimmt sie vollumfänglich
die Argumentation der Vorinstanz: Da die Polizeibeamten nicht wussten, dass
jemand ersticken kann, wenn man ihn auf den Bauch legt und ihm auf den
Brustkorb sitzt, sind sie auch nicht Schuld am Tod des Opfers. Da ja sogar
das für die Ausbildung der Polizisten zuständige Polizeiinstitut nichts von
solchen Gefahren wusste, gibt es überhaupt keine Täter mehr nur noch das
Opfer eines 'Unfalls' und die Hinterbliebenen.
Was bei diesem Entscheid wieder einmal zu kurz kommt, ist der gesunde
Menschenverstand. Ein Mensch stirbt in den Händen von Polizeibeamten, und
niemand ist schuld. Auf die Argumentation des Anwalts der Familie wird kaum
eingegangen. Dieser stellte unter anderem fest, dass der an der
Polizeischule gelernte Festhaltegriff wohl nicht beinhaltet, sich auf das
Opfer zu setzen. Generell sollte ja im Kampfsport mit Technik, und eben
nicht mit Kraft gearbeitet werden.
Zweifel an der Legitimation des Anwalts
Um ganz sicher zu gehen leistet sich die Strafkammer noch einen weiteren
Purzelbaum: Sie kam nebenbei zum Schluss, dass der Anwalt gar nicht
berechtigt war, einen Rekurs gegen die Einstellung des Verfahrens
einzureichen. Dies obwohl eine Vollmacht des Vaters von Samson Chukwu,
sowie eines Bruders vorliegt. Generell befindet das Gremium, dass höchstens
die Eltern klageberechtigt wären, jedoch nicht die Geschwister, falls sie
nicht eine sehr enge emotionelle Bindung zum Opfer hatten. Diese Bindung
hatten sie laut Gericht schon deshalb nicht, weil Samson in der Schweiz
war, und nicht nach Nigeria zurück wollte. So kann sogar ein Toter nochmal
dafür bestraft werden, dass er nicht brav die Schweiz verlassen wollte.Da
nun der Vater 70 Jahre alt ist hat er die Führung der Familiengeschäfte
seinem ältesten Sohn übertragen. Dieser kam auch in die Schweiz, um die
Repatriierung des Leichnams zu organisieren, und hat den Kontakt mit dem
Anwalt. Dies bringt das Walliser Gericht zur Bemerkung,
dass der Anwalt hauptsächlich im Auftrag eines (nicht klageberechtigten)
Bruders arbeitet, und bezweifelt dessen Funktion als Familienoberhaupt. Ob
die Familienstruktur für einen europäischen Kopf zu afrikanisch ist?
Eigentlich werden auch in der Schweiz viele Geschäfte im Namen der Eltern
abgewickelt, sobald diese ein gewisses Alter erreicht haben, häufig ohne
explizite Vollmachten. In diesem Fall liegt aber immer noch eine Vollmacht
des Vaters vor!
Nun, die nächste Instanz liegt ausserhalb dieses ansonsten sehr schönen
Tals, was hoffentlich auch auf den Horizont von juristischen Entscheiden
auswirkt.
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