Bulletin Nr. 34; Mai 2002
Von Polizisten in Kirchen und durchgesägten Gitterstäben
Berner Polizei verfolgt Sans-Papiers
Seit letzten Sommer kämpfen Sans-Papiers für eine kollektive
Regularisierung der in der Schweiz lebende MigrantInnen ohne gültige
Aufenthaltsbewilligung. Die Berner Kantons- und Stadtpolizei führt eine
repressive Politik mit Ausschaffungen und hat sogar einer Kirche in Bern
geräumt.
Seit mehr als 9 Monaten kämpfen in der Schweiz die sogenannten Sans-Papiers
(MigrantInnen ohne geregelte Aufenthaltsbewilligung) für eine kollektive
Regularisierung ihres Status. Anfangs letzten Herbsts hat das
Sans-Papiers-Kollektiv in Bern diverse Kirchen mit Einverständnis der
jeweils zuständigen Kirchenbehörden hintereinander besetzt. Die Forderung
nach eine kollektiven Regularisierung (Erteilung der
Aufenthalts-/Arbeitsbewilligung an alle hier lebenden MigrantInnen) wurde
auf Bundesebenen aber abgelehnt (Nationalrat, 10. Dezember 2001). Dafür
wurde ein System von Härtefallregelung für einzelne Personen angeboten -
ein nicht praktizierbares Unterfangen, wie sich später herausstellen
sollte. Das Sans-Papier-Kollektiv Bern hat an der Forderung nach
kollektiver Regularisierung festgehalten, gleichzeitig aber auch einige
Dossiers zur Härtefallprüfung eingereicht. Einige Sans-Papiers, die ein
solches Dossier eingereicht hatten, wurden dann trotz Versprechen seitens
Dora Andres,
Polizeidirektorin Kanton Bern, von der Polizei festgenommen und
ausgeschafft. Ein zwecks Ausschaffung festgenommener Sans-Papier wurde am
29. Januar aus dem Berner Regionalgefängnis befreit - ein Gitterstab des
Gefängnisfensters wurde durchgesägt.
Die Repression nahm im Anschluss an dieses Ereignis deutlich zu. Am 27.
Februar um 6.00 Uhr morgens tauchte die Berner Stadtpolizei im Auftrag der
Kantonspolizei mit einem Hausdurchsuchungsbefehl im Kirchgemeindeshaus
Johannes auf, wo die "Sans-Papiers" seit Anfangs Februar gelebt hatten. Es
war Pech für die Polizei, dass sie ausser der Reinigungsfrau keinen
Menschen antrafen. Das Sans-Papiers-Kollektiv hatte nämlich im Voraus von
dieser Hausdurchsuchungsaktion erfahren und hatte - im Sinne des
Grundrechts auf Schutz und Integrität - die Räume bereits verlassen. Mit
dieser Aktion hat die Berner Kantons- und Stadtpolizei das zwar nicht
verbriefte aber moralisch abgesicherte und bisher respektierte Prinzip des
Gastrechts der Kirche missachtet. Es mag sein, dass die halbherzige
Solidarität und der reservierte Widerstand der Kirchen gegen die offizielle
Sans-Papiers-Politik die Behörden zu dieser Grund- und Menschenrechte
verletzenden Aktion ermutigt haben.
Le droit d'avoir des droits
Der Knast war leer, das Kirchgemeindehaus auch und die Berner Kantons- und
Stadtpolizei werden die Sans-Papiers noch mehr jagen und kriminalisieren
und alles unternehmen, um die prekären Lebensumstände der "Sans-Papiers" zu
erschweren. Das Kollektiv und alle politischen Kräfte, für welche die
Menschenrechte und Grundrechte wichtig sind, sind jetzt gefordert, sich
dafür einzusetzen, dass Sans-Papiers nicht im Zustand von Rechtlosigkeit
versinken.
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