Bulletin Nr. 34; Mai 2002
Frauenspezifische Fluchtgründe - who cares?
Ein hoffnungsloser Fall
H., eine Frau aus Kamerun, flüchtete nach Europa, weil sie an Leib
und Leben bedroht war. In der Schweiz ging der Schrecken weiter.
Im Januar flüchtet H. aus Kamerun nach Europa. Sie wurde in ihrem Dorf
massiv bedroht und fürchtete um ihr Leben. Ihr letztes Hab und Gut, ein
Haus, hatte sie verkauft, um den Flug zu bezahlen. In Zürich strandet H. in
schlechtem psychischen Zustand im Flughafen-Transit, wo sie versucht, ein
Asylgesuch zu stellen. Das Gesuch wird im Eil(Transit)verfahren abgelehnt.
Als sie versteht, dass auch ihr Rekurs keine Chance haben wird, versucht
sie sich mit dem Träger ihrer Handtasche zu erhängen. Ihre Bettnachbarin in
der Asylunterkunft schlägt Alarm. Die für zuständigen Betreuerinnen der
Privatfirma ORS holen die Polizei. Nackt wird sie von den Polizisten aus
dem Bett gerissen, mit Handschellen gefesselt und in eine Zelle gebracht,
wo sie bis zum nächsten Morgen aussharren muss. Eine Polizisten verpasst
ihr noch eine Ohrfeige. "Instead of helping me, they brutalized me",
schildert sie später.
H. wird in die psychiatrische Klinik gebracht. Die dortigen AerztInnen
wagen es nicht, ihr zu erklären, dass auf ihren Rekurs die aufschiebende
Wirkung abgelehnt worden ist, denn sie befürchten einen weiteren
Selbstmordversuch.
Wo ist "Transit"
Fast 30 Tage bleibt H. in der psychiatrischen Klinik. Sie ist sicher, dass
sie eine Zwangsrückschaffung nach Kamerun nicht überleben wird. Während H.
in der Klinik verzweifelt, geht ein ungeheures juristisches Hickhack
zwischen Klinik, ausschaffungswilligen Behörden, der Asylrekurskommission
und augenauf los. Mit welchem juristischen Begründungen wurde H. in die
Klinik eingeliefert? Ist sie in die Schweiz eingereist und könnte somit ein
"normales" Asylgesuch stellen oder befindet sie sich noch im "Transit"?
Wurde ein fürsorgerischer Freiheitsentzug verfügt?
Aufgrund H.s ausgesprochen schlechten Zustands und ihrer
Transport-Unfähigkeit wird die Ausschaffung aufgeschoben. Da die Behörden
behaupten, H. befände sich juristisch immer noch "im Transit", fühlt sich
kein Haftrichter zuständig, die Rechtmässigkeit der Festhaltung von H. zu
beurteilen. Am 8. März wird H. von der Klinik in das Flughafengefängnis
transportiert. Ihre Ausschaffung wird ihr für den 12. März angedroht,
obwohl genau an diesem Tag ein Haftrichter über ihren Fall entscheiden sollte.
Am 11. März richtet augenauf einen ziemlich verzweifelten offenen Brief an
die involvierten Behörden, darunter die Zürcher RegierungsrätInnen Fuhrer,
Notter und Diener. Darin heisst es: "Frau H. braucht dringend ärztliche
Betreuung. Wir zweifeln keine Sekunde daran, dass eine unabhängige
ärztliche Untersuchung ihre Reisefähigkeit verneinen würde. Eine
Ausschaffungsversuch birgt die Gefahr in sich, dass sich Frau H. erneut
umzubringen versucht. Wenn die Polizei dies verhindern würde, wäre sie in
Kamerun ohne jede Hilfe aufs äusserte gefährdet."
"Freiheit" ...
Der offene Brief und eine ganze Lawine von juristischen Massnahmen
erzwingen eine Verhandlung vor dem Haftrichter, der die Rechtmässigkeit der
Haft überhaupt feststellen soll. Der Richter lehnt einen Tag später den
Antrag des "Amtes für Migration" (Frepo) ab, Frau H. ist "frei".
Doch damit hat H.'s Leidensweg kein Ende. Ihr psychischer Zustand ist so,
dass sie den Weg durch die Schweizer Asylbürokratie auf keinen Fall alleine
schafft. Die Rechtsvertreterin von H. holt sie also beim Gefängnis ab. Am
nächsten Tag fahren die beiden nach Kreuzlingen, um ein reguläres
Asylgesuch zu deponieren.
... und Flucht
Eine Woche bleibt H. in der "Empfangsstelle" Kreuzlingen. Während dieser
Woche zeichnet sich der Sieg der Asylbürokratie ab: Weil H.'s Asylgesuch ja
bereits im Transit abgelehnt worden sei, wird ihr Gesuch gar nicht mehr
inhaltlich behandelt. Bleibt noch die Frage, ob H. überhaupt ohne
Gefährdung ihres Lebens ausschaffbar wäre.
Angesichts der Situation scheinen die Verantwortlichen in Kreuzlingen gar
nicht unglücklich darüber, dass H. einen Wochenend-Urlaub von der
"Empfangsstelle" verlangt. Ende März flieht die verfolgte Kamerunerin
weiter...
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