Bulletin Nr. 34; Mai 2002
Von der Schuld zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein
Erlebnisbericht eines jungen Zürchers (von der augenauf-Redaktion
leicht gekürzt und redigiert)
Zürich im Februar 2002
Nach einem Besuch bei einem Kollegen gehe ich abends um 19:00 Uhr zu Fuss
Richtung Langstrasse, um mit dem Bus nach Hause zu fahren. Plötzlich rennen
zwei Polizisten in Zivil auf mich zu. Als erstes höre ich: "Kopf
umdrehen!", "Hände an die Wand!", "Polizei!".
Dann hält mich einer der drei Polizisten, es sind 2 Männer und eine Frau,
gewaltsam fest. Ich drehe mein Kopf und will wissen was los sei und wer sie
seien. Ich erhalte keine Antwort und gewaltsam werden mir die Handschellen
hinter meinem Rücken angebracht. Vor Angst fange ich zu weinen an. Die
Polizisten durchsuchen zuerst meine Jacke und meinen Rucksack. Immer wieder
stelle ich die Frage "Was habe ich getan, was ist los". Der anführende
Polizist K. (Name ist augenauf bekannt) gibt mir keine Antwort und schreit
nur immer: "Kopf an die Wand!" Passanten gehen vorüber oder schauen zu.
Ca. eine Viertelstunde später bringen mich die Polizisten abseits auf die
andere Strassenseite. Ich setze mich zitternd auf einen Stein und versuche
mich zu beruhigen. Polizist K. befiehlt mir an die Wand zu schauen und mich
nicht umzudrehen. Ich frage immer wieder nach den Gründen meiner Verhaftung
und nach den Namen der drei Polizisten. K. schreit weiter: "Ich habe gesagt
sie sollen sich nicht bewegen, unsere Namen erfahren sie dann später schon
noch!". Und auf meine Fragen hin, was wir hier denn eigentlich noch machen,
antwortet K. zynisch: "Wir warten auf ein Taxi".
Dummerweise habe ich gerade an diesem Tag für 50 Franken Gras gekauft, und
habe bei K. auch nachgefragt ob dies der Grund für die Festnahme sei, bekam
aber keine Antwort (Besitz von Gras für den Eigenkonsum ist höchstens ein
kleines Vergehen und schon gar kein Grund für Uebergriffe und repressive
Polizeiwillkür. Anm. Redaktion).
Einige Zeit später wies ich die Polizisten darauf hin, dass das Blut in
meinen Händen nicht genügend zirkulieren könne und dass ich aus diesem
Grund ein stacheliges Gefühl den Fingern hätte.
K. antwortete darauf lapidar: "Solange sie die Finger bewegen können ist
das kein Problem"!
Nach langer Zeit kommt ein Kastenwagen. Polizist K. bringt mich zu ihm und
lässt mich in die mobile Zelle, die für max. 2 Personen Platz
hat, einsteigen. Ich bin immer noch mit den Handschellen hinter dem Rücken
gefesselt. Der Wagen fährt durch die Stadt, ich weiss nicht wohin. Durch
das Gitterfenster sehe ich, dass zwei Polizeimotorräder dem Kastenwagen
nachfahren.
Sie bringen mich zur Polizeihauptwache Urania. K. übergibt mich einem
anderen Kollegen. Die Handschellen werden mir endlich abgenommen und man
bringt mich in eine Wartezelle. Ein Polizist kommt, um bei mir eine
Leibesvisitation durchzuführen. Er befiehlt mir mich ganz auszuziehen und
die Kleider auf den Tisch zu legen. Als ich ein Kleidungsstück statt auf
den Tisch am Boden liegen lasse, sagt er:"Ich sagte auf den Stuhl und nicht
auf den Boden!". Schliesslich muss ich auch die Socken und Unterhosen
ausziehen. Der Polizist untersucht meine Achselhöhle, ich muss meine
Gesässbacken auseinander drücken und er will unter meinen Hoden
nachschauen. Danach muss ich mich mit Kopf zur Wand und ohne Bewegung in
die Ecke stellen bis die Kleider durchsucht sind. Nach erfolgloser
Visitation darf ich mich wieder anziehen. Wiederum beklage ich mich über
die Festnahme und stelle erfolglos Fragen nach dem Warum.
Ein sechster Polizist fragt mich über die gefundenen 3,4 Gramm Gras, über
meine Lebens- und Einkommenssituation und über mein Konsumverhalten aus und
füllt ein Formular aus.
Mittlerweile habe ich mich einigermassen beruhigt und ich mache von meinem
Recht der Aussageverweigerung Gebrauch. Endlich wird mir auch klar, dass
sie mich vermutlich aufgrund einer Verwechslung oder aber aus rassistischen
Gründen für einen Dealer halten. Wegen meines offenbar "ausländischen
Aussehens" habe ich schon des öfteren negative Erfahrungen machen müssen.
Dann öffnet Polizist K. die Zellentür und bringt mich hinaus. Ich muss
nochmals unterschreiben und darf meine Sachen wieder einpacken. Den fünf
Polizisten, die um mich herum stehen, versuche ich klar zu machen, dass die
Sache ein rechtliches Nachspiel haben wird und dass ich deswegen alle Namen
der mitbeteiligten Polizisten haben möchte. K. schreit mich sofort an, und
sagt unter anderem: "...meinen Namen haben sie ja und wenn sie jetzt noch
Probleme machen wollen, dann sperre ich sie die ganze Nacht ein!".
Wieder bekomme ich grosse Angst und werde nervös. Schnell beginne ich meine
Sachen einzupacken. Polizist K. macht mir brüllend weiterhin Vorwürfe wegen
dem Gras. Die anderen fünf Polizisten schauen und hören kommentarlos zu.
Nochmals frage ich nach den Namen der Polizisten und wieder werde ich nur
angeschrieen.
Dann werde ich zur Türe heraus gedrängt. In Panik renne ich nach Hause.
Inzwischen hat M. von der Polizei zwar ein ziemlich hohe Busse, aber
nicht die von M.s Vater verlangte Stellungsnahme erhalten.
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