Bulletin Nr. 33; Dezember 2001

Schweizer Behörden haben Joâo L. mit Fussfesseln und Windeln ins Militärgefängnis ausgeschafft

Per Jet von Kloten in den Hungerknast

Die Schweizer Behörden schafften den Angolaner Joâo L. im August letzten Jahres in Ketten nach Kongo aus. Zehn Monate sass er dort in einem völlig überfüllten Militärgefängnis. Jetzt ist er wieder da und verlangt Asyl.
Joâo L. deponierte im Februar 1994 ein Asylgesuch in der Schweiz. Dieses wurde abgelehnt. Anfang 1996 wurde er in Ausschaffungshaft genommen. Die Schweizer Behörden versuchten zweimal, Joâo L. unter dem Namen Raffael Mugingo nach Angola auszuschaffen. Die Versuche scheiterten an seinem Widerstand. Im Februar 1997 wurde er aus der Ausschaffungshaft entlassen und lebte fortan als papierlos Geduldeter ohne Arbeitsbewilligung von den auf ein Minimum gekürzten Fürsorgeleistungen in einem Privatzimmer in Zürich.
 
Verhaftung und Ausschaffung
Am Freitag Nachmittag, dem 11. August 2000, bestellte die Fremdenpolizei des Kantons Zürich Joâo L. an ihren Schalter. Dort wurde er verhaftet und ins provisorische Polizeigefängnis auf der Kasernenwiese (Propog) überführt. Niemand von den Behörden informierte seine Rechtsvertreterin über die Festnahme. Joâo L. wurde auch nicht erlaubt, seine Habe zu behändigen oder sich Wechselkleider zu besorgen.
Am Montag, dem 14. August 2000, morgens um 4.30 Uhr, holte ein Trupp Polizisten Joâo L. aus dem Propog und brachte ihn auf den Flughafen Kloten. Dort zogen sie ihm Windeln und einen Ausschaffungsoverall an. Anschliessend legten sie ihn in Ketten, verklebten ihm mit einem Scotch den Mund und brachten ihn so in eine auf dem Flughafen Kloten bereitstehende Chessna der Berner Flugtaxifirma Sky-Work. Zur gleichen Zeit wurden auch die Ausschaffungshäftlinge Victor K. und Jean-Marie M. «reisefertig» gemacht. Die Polizisten fesselten alle Gefangenen mit Riemen und Ketten an die Sitze.
Den Ausschaffungscharter begleiteten zwei Mitglieder der Antiterroreinheit «Diamant» der Zürcher Kantonspolizei, vier Beamte der Ausschaffungsbehörden, unter ihnen ein Mitarbeiter des Asylbüros der Flughafenpolizei Zürich, sowie zwei Piloten der Firma Sky-Work. Während des Flugs nahmen die Polizisten Joâo L. den Scotch ab. Nach einer Zwischenlandung auf einem Wüstenflugplatz in Niger fütterten die Polizisten die Gefangenen mit Sandwichs (aufgrund der Fesselung konnten sie nicht selbst essen). Getränke wurden ihnen nur in ganz kleinen Mengen verabreicht. Über dem Flughafen Ndjili (Kinshasa) kreiste die Chessna eine halbe Stunde. Zu diesem Zeitpunkt wollten die begleitenden Beamten den Gefangenen die Ketten abnehmen und sie durch einfache Kabelbinder ersetzen. Dem widersetzte sich Joâo L..
 
Ankunft in Kinshasa
Über die Vorgänge bei der Ankunft gibt es unterschiedliche Darstellungen. In seiner Antwort auf eine kantonsrätliche Anfrage von Peider Filli (KR-Nr. 304/2000) gibt der Zürcher Regierungsrat zu, dass es Unklarheiten bezüglich der Landeerlaubnis für die Schweizer Chessna gegeben habe. «Dies führte nach der Landung zu teilweise heftigen Diskussionen», sagt der Regierungsrat. Nach Darstellung der Gefangenen habe der Pilot gegenüber den kongolesischen Behörden während des Anflugs vorgegeben, es handle sich um eine kongolesische Maschine. Gleichzeitig habe der Leiter der begleitenden Beamten mit der Schweizer Botschaft in Kinshasa Kontakt aufgenommen. Tatsache ist, dass die kongolesischen Behörden die Schweizer Ausschaffungsflieger drei Tage in Kinshasa festhielten. Tatsache ist ausserdem, dass der Vorfall zu erheblichen diplomatischen Verstimmungen führte und die kongolesischen Behörden bis heute die Zusammenarbeit mit der Schweizer Ausschaffungsbürokratie auf einem Minimum eingefroren haben. Tatsache ist schliesslich auch, dass die Grenzpolizei die Ankunft der Schweizer Ausschaffer mit den in Ketten gelegten Afrikanern fotografisch festhalten liessen. augenauf gelangte in Besitz der entsprechenden Fotos.
 
Inhaftierung der Ausgeschafften
Während die Flughafenbehörden in Ndjili noch darauf bestanden haben, dass die Schweizer mit den drei Afrikanern zurück in die Schweiz fliegen müssen, entschied der später eingeschaltete Geheimdienst anders: Die Schweizer Beamten und die Crew wurden in ein Hotel verbracht. Die Ausschaffungsgefangenen dagegen mussten in einer Zelle der Immigrationsbehörde des Flughafens Ndjili übernachten. Am Morgen des 15. August wurden sie vom militärischen Geheimdienst Demiap (Office for the Military Detection of Subversive Activities) in ein Privathaus gebracht, das zu einem provisorischen Gefängnis umfunktioniert worden war. Dort wurde Joâo L., der von den Schweizer Behörden unter dem Namen Ange Bokumba ausgeschafft worden war, mehrmals verhört. Die Sicherheitsbeamten gingen davon aus, dass er eine Militärperson sei. Entsprechende Angaben haben die Schweizer Ausschaffungsbehörden bei der Ankunft in Ndjili gemacht.
Am 31. August brauchten kongolesische Polizisten Joâo L. ins «Centre Pénitentiaire et de Réeducation de Kinshasa», das unter dem Namen «Makala» bekannte grösste Gefängnis von Kinshasa. Victor K. und Jean-Marie M. verlegten die kongolesischen Behörden in ein Gefängnis des Geheimdienstes «Agence Nationale de Recherche». Über den Verbleib von Victor K. und Jean-Marie M. fehlt bis heute jede Nachricht. Nach unbestätigten Berichten wurden sie in den Südosten des Landes «an die Front» verlegt.
 
Ergebnislose Interventionen bei den Schweizer Behörden
Nachdem augenauf von der Inhaftierung Kenntnis hatte, forderten wir am 5. September 2000 den Direktor des Bundesamtes für Flüchtlinge (BFF), Jean-Daniel Gerber, auf, «die notwendigen Massnahmen (...) zur Befreiung und Rückführung» der Gefangenen in die Schweiz einzuleiten. Am 15. September informierte augenauf in einem zweiten Schreiben an Jean-Daniel Gerber das BFF, dass Joâo L. am 31. August nach Makala verlegt worden war. Wir forderten das BFF zudem auf, Ausschaffungen in den Kongo zu sistieren. Am 16. September 2000 informierte augenauf die Öffentlichkeit über das Vorgefallene. Vertreter des BFF dementierten gegenüber der Presse, dass es beim Rückführungscharter vom 14. August 2000 zu Problemen gekommen sei.
Da vom BFF keine schriftlichen Reaktionen kamen, wandte sich augenauf an die Politische Abteilung IV des eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten, Sektion Flüchtlingspolitik. Am 2. Oktober gab Herr von Arb, ein leitender Beamter des BFF, telefonisch die Auskunft, er habe vom Schweizer Botschafter in Kinshasa die Bestätigung erhalten, dass die drei Gefangenen schon nach kurzer Zeit freigelassen worden seien. Die entsprechende Mitteilung stamme von einem hochrangigen Vertreter der Regierung der Demokratischen Republik Kongo.
Da unsere telefonischen und brieflichen Kontakte nahe legten, dass diese Mitteilung falsch sein musste, wandten wir uns am 3. Oktober mit den entsprechenden Informationen erneut ans EDA. Am gleichen Tag teilte uns das BFF mit, dass «eine generelle Sistierung der Rückführung nach der DR Kongo nicht in Betracht zu ziehen» sei. Weder vom EDA noch vom BFF erhielten wir eine schriftliche Antwort auf unsere Anfragen zum Verbleib und zur Situation der am 14. August 2000 ausgeschafften Personen.
 
Anstrengungen zur Freilassung von Joâo L. in Kinshasa
Unter diesen Umständen mussten wir davon ausgehen, dass weitere Interventionen via Schweizer Behörden Joâo L. in Makala zusätzlich hätten gefährden können. Wir versuchten deshalb, über einen Anwalt vor Ort die Freilassung des kranken und an Hunger leidenden Joâo L. zu erwirken.
Am 26. Oktober 2000 lag die Bestätigung des Anwalts Guy Yangu vor, das Joâo L. in Haft sei. Am 16. November 2000 erreichte uns die Mitteilung, dass eine Freilassung nur über das Urteil des «Cours d'ordre militaire», eines von Kabila eingerichteten militärischen Sondergerichts möglich sei, das weder ein rechtsstaatliches Verfahren noch Rekursmöglichkeiten kennt. Im Dezember schalteten wir einen weiteren Anwalt ein, der Joâo L. am 16. Januar 2001 in Makala besuchte und uns am 20. März 2001 mitteilte, dass Joâo L. unter dem Namen Jean-Roger Bunsana festgehalten würde. Am 27. April 2001 fand schliesslich eine Verhandlung vor dem «Cours d'ordre militaire» in Kinshasa statt, in der Joâo L. wegen «Desertion» zu 10 Monaten Haft verurteilt wurde.
Nach 10 Monaten Haft in Kinshasa wurde Joâo L. am 27. Juni 2001 diesmal unter seinem richtigen Namen aus dem Gefängnis entlassen. Von einer religiösen Gemeinschaft wurde er in Kinshasa aufgenommen. Ende Oktober 2001 gelang ihm die erneute Flucht in die Schweiz.
 
augenauf fordert:
augenauf verlangt den Verzicht von Ausschaffungen in Bürgerkriegsländer. Joâo L. muss sofort als Flüchtling anerkannt werden. Die Kosten für seine Betreuung in Kinshasa sowie seine Rehabilitation müssen vom Bund übernommen werden.
augenauf prüft zurzeit Klagen gegen die an der Ausschaffung beteiligten Beamten und das Flugtaxiunternehmen wegen Freiheitsberaubung, Gefährdung des Lebens und Verstosses gegen internationale Luftverkehrsabkommen.
 
Üble Zustände in Makala
Die Schilderungen von Joâo L. über die Zustände im Militärgefängis Makala decken sich mit einem Bericht der US-Menschenrechtskommission. So gibt es nur einmal pro Tag zu Essen, Mais und Bohnen. Je nach allgemeiner Versorgungslage sind die Portionen kleiner oder grösser. Joâo L. war in einem Pavillon mit rund 200 Mitgefangenen untergebracht. Er sagt, einige der Insassen seien todkrank gewesen. Eine ärztliche Versorgung besteht nicht. Die Gefangenen müssen auf dem Boden schlafen, ein Bett gibts, wie so vieles im Gefängnis, nur gegen Geld. Angehörige, die von aussen das Essen bringen, müssen die Wärter bezahlen, damit es überbracht wird. Zu trinken bekommen die Gefangenen unsauberes Wasser. Joâo L. erkrankte während seiner Gefangenschaft zweimal an Malaria, Medikamente bekam er von augenauf zugeschickt.
augenauf Zürich

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