Bulletin Nr. 32; September 2001

Die Zürcher Stadtpolizei sieht rot

Blutlachen nach polizeilicher Überreaktion

Mehrere Zeugen schilderten augenauf eine Verhaftungsaktion an der Zürcher Seepromenade im Seefeld. Dabei wurde offenbar mit grosser Brutalität vorgegangen, was bei vielen PassantInnen zu heftigen Protesten führte.
Freitagabend, 24. August, nach 21 Uhr an der Zürcher Seepromenade auf der Höhe der Höschgasse. Sehr viele Menschen flanieren zu diesem Zeitpunkt dem See entlang, es ist warm, und die Getränkestände haben einen regen Zulauf. Ein offenbar leicht angetrunkener Mitbürger beginnt zu pöbeln. Er beschimpft Leute, provoziert, geht an einen Getränkestand und schmeisst einige Flaschen zu Boden. Ein alltäglicher Vorfall, könnte man meinen. Der Standbesitzer fühlt sich durch den Pöbler bedroht und ruft die Polizei.
Was nun in den folgenden Minuten passiert, hat Y. S., ein Zeuge des Vorfalls, aufgewühlt. Er schreibt zwei Tage später der Polizeistadträtin Esther Mauer ein Mail (mit Kopie an augenauf) und beschreibt darin, was er gesehen hat: Nämlich einen «dekadenten Übergriff der Stadtpolizei, der mir leider nicht mehr aus dem Kopf geht. Er ist an roher Gewalttätigkeit und unbesonnener Machtdemonstration nicht mehr zu überbieten».
Der Polizeieinsatz hat sich demnach so zugetragen: Ein Einsatzwagen der Stadtpolizei Zürich fährt vor, drei Polizisten, die Hand an der Pistole, steigen aus. Eigentlich hat sich die Situation inzwischen beruhigt. Der pöbelnde Mann steht am Rande der Promenade und gibt sich unbeteiligt. Die Polizisten erkundigen sich beim Standbesitzer, um wen es sich handelt.
«Ohne mit dem Mann zu sprechen, stürzen die Polizisten auf den Mann zu, reissen ihn zu Boden, verprügeln ihn, er schreit wirres Zeug, sie prügeln weiter (Schläge auf den Körper mit der Taschenlampe), drücken ihn zu Boden.» Nicht nur der Zeuge, sehr viele unbeteiligte PassantInnen sind empört: «Es hagelt Buhrufe und Pfiffe, einige Passanten gehen auf die Polizisten zu und stellen Fragen, die jedoch nicht beantwortet werden. Es fliegen zwei Flaschen.» Einer der Polizisten lässt in der Folge vom Opfer ab, ruft offenbar per Funk Verstärkung und postiert sich mit einem Gummischrotgewehr gegen die empörte Menge. Diese weicht sofort zurück.
 
Nochmals Kopf voran aufs Pflaster
Die Verstärkung fährt nun ein, das Aufgebot besteht aus rund 15 Polizisten und einem Polizeihund, die das Gebiet jetzt weiträumig absichern. Zum Aufgebot gehört auch ein zivil gekleideter Mann mit kurzem schwarzem T-Shirt, kurzen schwarzen Hosen, Turnschuhen und nackenlangen Haaren. Dieser Mann, so Y. S., verpasst dem Opfer, das jetzt von vier Polizisten festgehalten wird, eine Spritze. «Dann wird er an den Armen und Beinen angehoben, der Körper hängt durch, der Kopf auf den Boden gerichtet. Er schreit immer noch, kafkaeske Wörter wie 'Dalai Lama' etc. Da passiert was Blödes, die Polizisten lassen das Opfer aus Versehen nochmals Kopf voran auf das Pflaster fallen. Jetzt ist er ruhig.» Dann werfen die Polizisten den nun gelähmt wirkenden Mann in einen blauen Kastenwagen und zwar so, dass der auch dabei am Kopf anschlägt. Ein weiterer Zeuge, T. G., sagt zum ganzen Einsatz, die Polizei habe sich sehr unverhältnissmässig verhalten und die Situation eskalieren lassen.
Y. S. schaut sich am nächsten Tag die Stelle des Vorfalls nochmal an: Er findet dort «zwei Blutlachen am Boden. Eine dort, wo er bei der ersten Verprügelung gelegen hatte, die zweite dort, wo sie ihm die Spritze verpassten und ihn nochmals fallen liessen.» Der Vorfall lässt ihn nicht mehr los, in seinem Mail an Esther Maurer schreibt er zum Schluss seiner Schilderung denn auch: «Die Blutlachen gehen mir nicht aus dem Kopf, und ich frage mich, wie es dem Mann wohl geht. Ist er wieder wohlauf?» Gerne wollten wir die Version von Frau Maurer zum Vorfall. Unzählige Anrufe an ihr Büro blieben unbeantwortet.
augenauf Zürich

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