Bulletin Nr. 32; September 2001

augenauf-Umfrage unter Drogenkonsumierenden in Basel

Die Zwei-Klassen-Gasse

Die Basler DrogenkonsumentInnen werden in letzter Zeit häufiger von der Polizei kontrolliert. Während die einen dabei relativ korrekt behandelt werden, müssen fremdländisch wirkende Personen mit ruppigen Methoden rechnen.
Die einst hoch gelobte Basler Drogenpolitik vollzog in den letzten Jahren eine Wandlung hin zu einer Ordnungspolitik, bei welcher der Vorsatz zur «Entlastung des öffentlichen Raumes» immer mehr Priorität vor einer optimalen Betreuung der Drogenkonsumierenden erhielt. Konsequente Vertreibung der Leute von der Allmend, zu wenig Injektionsplätze in den Gassenzimmern, restriktiver gehandhabte Abgabe von Injektionsmaterial, mangelnde Unterstützung von Tagesstrukturen usw. führten zu immer grösseren Rückstaus vor den Kontakt- und Anlaufstellen; da und dort bildeten sich kleine «offene» Szenen.
Die drogenpolitisch verantwortlichen Stellen bewiesen in der Folge nicht eben viel Kreativität, um die selbst geschaffenen Probleme zu lösen - diese wurden an die Securitas und an die Polizei delegiert. Daraus resultierte eine enorme Präsenz von Ordnungskräften vor den Anlaufstellen und in deren Umfeld sowie in besonders tangierten Quartieren. Das erklärte Ziel ist es, die Bildung «offener» Szenen zu verhindern sowie auswärtige Drogenkonsumierende aus der Stadt zu vergraulen. Ausufernde Individualkontrollen und Flächen deckende Razzien vor den Anlaufstellen sind die Mittel dazu; Jagdszenen auf Personen, die verdächtigt werden zu dealen - speziell auf Schwarzafrikaner -, gekrönt durch unzimperliche Festnahmen, gehören im Sommer 2001 zum Alltag.
Obwohl die Reizschwelle hinsichtlich Polizeigewalt bei Drogenkonsumierenden wesentlich höher ist als bei der «Normalbevölkerung» (Sucht setzt andere Prioritäten; Befürchtung weiterer Repressionen als Folge von Beschwerden; Gewöhnung an Kontrollhäufigkeit und -methoden), erstaunt dennoch, dass trotz der massiven Repression keinerlei Klagen von der Gasse bei augenauf deponiert wurden. Mittels eines umfangreichen Fragebogens sollte daher die Befindlichkeit der Betroffenen vor Ort ausgelotet werden. Rund 30 Personen gaben bereitwillig und detailliert Auskunft über ihre Erfahrungen mit der Polizei.
 
Jede Woche ein Mal kontrolliert
Die Ergebnisse bestätigen den subjektiven Eindruck: Praktisch alle Befragten stellen fest, dass die polizeilichen Kontrollen im Umfeld der Anlaufstellen massiv zugenommen haben. Ebenfalls deutlich, wenn auch in geringerem Ausmass, wird die Zunahme der Kontrollhäufigkeit auf dem restlichen Stadtgebiet erlebt.
Die letzte am eigenen Leib erfahrene Kontrolle liegt bei nahezu der Hälfte der Befragten weniger als eine Woche zurück - nur gerade vier Personen geben an, innerhalb des letzten Monats nie kontrolliert worden zu sein. Dass es bei der überwiegenden Mehrheit der Kontrollen nicht um die Stillung eines polizeilichen Informationsbedürfnisses geht, liegt auf der Hand: Gassenpräsenz, Lebensalter und die Summe der erlebten Kontrollen belegen, dass die Betroffenen der Polizei sehr wohl bekannt sind (nebenbei: Begründet werden die Kontrollen in der Regel nicht). Ebenfalls zugenommen haben die Mitnahmen auf den Posten.
Die Kontrollen auf der Gasse beschränken sich in etwa der Hälfte aller Fälle auf die Überprüfung der Identität. Auf dem Polizeiposten gehört dagegen die Durchsuchung der Effekten und eine Leibesvisitation zum Routineprogramm. Die selbst erlebte Behandlung durch die Polizei bei Kontrollen auf der Gasse wird mehrheitlich als korrekt und freundlich empfunden. Ein Viertel der Befragten klagt jedoch über unhöfliches und/oder ruppiges Benehmen. Einzelne berichten aber auch über Gewaltandrohung oder gar Gewaltanwendungen, die allerdings teilweise schon einige Zeit zurückliegen.
Etwas weniger freundlich werden die Kontrollen auf dem Posten geschildert, der «normale» Umgangston ist hier wesentlich ruppiger als auf der Strasse, diskriminierende Bemerkungen, Gehässigkeiten und selbst Gewaltandrohungen sind keine Seltenheit. Auch hier wird von vereinzelten Fällen von Gewaltanwendung berichtet.
Allgemein erhalten Fahnder und ältere Beamte die besten Bewertungen, junge und unerfahrene Beamte der Bereitschaftspolizei schneiden hingegen am schlechtesten ab.
Auf die Frage, wie sich das polizeiliche Verhalten im Verlauf der Zeit verändert habe, ist über die Hälfte der Befragten der Ansicht, dass gegenüber «früher» mehr Gewalt und mehr Gehässigkeiten von Seiten der Polizei vorkommen. Die Diskrepanz zwischen dem Erleben am eigenen Leib («korrekte Behandlung») und der Einschätzung der Entwicklung wird mit der Beobachtung erklärt, dass Dealer und auswärtige Personen (insbesondere Menschen aus anderen Kulturkreisen) wesentlich härter angepackt würden als Junkies baslerischer Provenienz.
 
«Unerwünschtes ausländisches Drögeler- und Dealerpack»
Die Umfrageresultate hinterlassen den Eindruck, dass die Basler Polizei in den letzten Jahren bezüglich des Umgangs mit Drogenkonsumierenden einen Lernprozess durchgemacht hat und sich bemüht, den vorgegebenen Auftrag zu mehr Repression mit Anstand zu erfüllen. Das früher vorherrschende Feindbild vom bestrafungswürdigen, asozialen und kriminellen Junkie scheint weitgehend verblasst.
Bedenklich stimmt allerdings, dass die Umfrage auch deutlich zeigt, dass offenbar in vielen Beamtenköpfen das Bild einer Zwei-Klassen-Gasse Einzug gehalten hat: hier die «armen einheimischen Suchtkranken» und da das «unerwünschte auswärtige Drögeler- und Dealerpack».
Eine detaillierte Auswertung der Umfrage wird demnächst auf der Homepage von augenauf Basel abrufbar sein. Nähere Infos zur aktuellen Basler Drogenpolitik sind auf www.virus-bs.ch nachzulesen.
augenauf Basel

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