Bulletin Nr. 32; September 2001

Die Schweiz schafft einen Nigerianer mit nachweislich gefälschtem Pass nach Ghana aus

«Mängmal e chli öppis richte»

Ein nigerianischer Flüchtling ist von den schweizerischen Behörden widerrechtlich und mit einem bekanntermassen falschen Pass ins Drittland Ghana abgeschoben worden. Seither fehlt von ihm jede Spur.
Am 14. Juni 2001 stellt L. im Transit Zürich-Kloten ein Asylgesuch. Er kommt aus der Delta-Region in Nigeria, wo er am Widerstand gegen die Umweltverschmutzung durch die Ölfirmen beteiligt ist, unter anderem mit Sabotageakten an Pipelines und mit der Verhinderung neuer Installationen. Er wird in Nigeria aktiv von der Polizei gesucht. Das Bundesamt für Flüchtlinge (BFF) wagt es nicht, sein Asylgesuch negativ zu beantworten. Am 27. Juni kommt der Entscheid: vorsorgliche Wegweisung ins Drittland Ghana, von wo L. in die Schweiz geflogen ist. Er ist mit einem gefälschten britischen Pass gereist und besitzt keine persönlichen Dokumente.
Keine der gesetzlich erforderlichen Bedingungen für eine Wegweisung in ein Drittland ist erfüllt. Die Rechtsvertreterin weist in einer Beschwerde an die Asylrekurskommission (ARK) ausdrücklich darauf hin, dass das ICAO, ein von Ghana und von der Schweiz mitunterzeichnetes internationales Luftfahrtsabkommen, den Vertragsstaat - in diesem Fall Ghana - bloss zur Prüfung, jedoch nicht zur Einreiseerlaubnis verpflichtet. Demnach besteht das Risiko einer nach dem Non-Refoulement-Gebot der Genfer Konvention von 1951 verbotenen Rückschaffung ins Herkunftsland Nigeria.
Die Botschaft von Ghana in Bern erklärt auf Anfrage, dass die Einreise nicht bewilligt würde, Ghana könne nicht verpflichtet werden, Asylgesuche zu behandeln, welche in der Schweiz hängig sind. Trotzdem lehnt die ARK in einer Zwischenverfügung die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ab. Es werden aber zwei Punkte verfügt:
- Die so genannte Removal Order (ein Papier, in dem auf gefälschte oder fehlende Identitätspapiere hingewiesen wird) darf für eine Drittlandwegweisung nicht verwendet werden.
- Die Schweizer Vollzugsbehörden haben sicherzustellen, dass der Beschwerdeführer für den Fall, dass die Einreise nicht bewilligt werden sollte, nicht nach Nigeria zurückgeschafft wird.
Dieser Entscheid wird am Vormittag des Samstags, am 30. Juni, eröffnet. Den ganzen Samstag lang erwartet die Rechtsvertreterin einen mit L. vereinbarten Telefonanruf. Der nächste Flug nach Accra (Destination in Ghana) wäre am Sonntagmittag.
<%UTITLEÜbergangener ARK-Entscheid%%> Am Sonntag früh ruft die Rechtsvertreterin die Flughafenpolizei an und will wissen, wie sichergestellt wird, dass die beiden Punkte der Verfügung eingehalten werden. Der Anruf wird mehrmals weitergereicht. Schliesslich ist der Gruppenchef, Herr Tschofenig vom Fachdienst, am Telefon. Seine Auskunft: «Der reist mit seinem Pass allein nach Accra.» Die Rechtsvertreterin weist darauf hin, dass es sich um einen nachweislich gefälschten Pass handelt. Die Antwort von Tschofenig lautet: «Ja ja, das weiss ich schon, aber ich habe den Auftrag, die Person so schnell als möglich aus dem Land zu bringen, 'da mues i halt au mängmal e chli öppis richte'.»
Der ICAO-Vertrag bestimmt ausserdem: «Each contracting state shall ensure that the public authorities seize fraudulent, falsified or counterfeit travel documents.» Das heisst, jeder Vertragsstaat ist verpflichtet, gefälschte Reisedokumente einzuziehen. So auch die Schweiz, die sich aber in diesem Fall nicht daran hält. Der Normalfall: In der Schweiz werden Flüchtlinge mit gefälschten Dokumenten häufig mit drei Monaten Gefängnis bestraft, und gefälschte Papiere sind immer ein Grund für Zwangsmassnahmen.
Ein Bericht der Rechtsvertreterin über diese Vorkommnisse an die ARK vom 2. Juli ist bis zum 28. August 2001 ohne Antwort geblieben. Von L. gibt es seit dem 1. Juli kein Lebenszeichen mehr. Es muss befürchtet werden, dass der falsche Pass bei der Ankunft entdeckt wurde, da der Umschlag mit L.s Dokument vom Piloten den Immigrationsbehörden in Ghana übergeben worden ist. Es ist deshalb äusserst wahrscheinlich, dass L. in Ghana oder in Nigeria in Haft sitzt.
augenauf Zürich

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