Bulletin Nr. 32; September 2001

Solothurner Flüchtlingsbetreuung erneut im Zwielicht

Der Trupp kommt zwischen 18 und 20 Uhr

Der Kanton Solothurn ist bei der Betreuung seiner Asylbewerber nicht eben zimperlich. In den Gemeinden Bellach, Günsberg, Langendorf und Oberdorf dringen «Betreuer-Trupps» eigenmächtig in die Wohnungen von Flüchtlingen ein und starten dort Hausdurchsuchungen.

Im Juni 2001 meldet sich eine Schweizer Familie aus einer solothurnischen Gemeinde bei augenauf Basel. Mehr oder weniger durch Zufall ist sie in Kontakt gekommen mit der Asylsuchenden Diara*. Die ganze Familie ist entsetzt über die Behandlung Diaras.
Diara hat zwei Kinder und lebt in einer Wohnung, die sie vom Kanton Solothurn zugewiesen bekommen hat. Die finanziellen Verhältnisse sind prekär - der Kanton Solothurn ist bekannt für die zurückhaltenden Auszahlungen von Geldern an Asylsuchende.
Was der befreundeten Familie - und Diara selbst - aber am meisten zu schaffen macht, ist die so genannte Betreuung, die sie erfährt. Ihr «Betreuer» ist Teil eines etwa achtköpfigen Kontrolltrupps, der in den Gemeinden Bellach, Günsberg, Langendorf und Oberdorf aktiv ist. Die Truppe setzt sich illuster zusammen. Der Chef ist ein seit kurzem pensionierter Polizist, einige seiner Leute haben Arbeitsstellen bei Sicherheitsfirmen. Ein weiteres Mitglied des Trupps ist tagsüber bei der Fremdenpolizei beschäftigt, zuständig für Ausschaffungen und Rückkehrbegleitung. Auf ihren Kontrollgängen erscheint ein Teil der «Betreuer» in Uniform.
Die Kontrolltrupps funktionieren so: Die Asylsuchenden, die in diesen Gemeinden in individuellen Unterkünften leben, haben gemäss ausgehändigtem Kontrollplan einmal wöchentlich «Hausarrest» zwischen 18 und 20 Uhr. Dann kommen zwei KontrolleurInnen vorbei - manchmal auch nicht -, um nachzusehen, ob alles seine Ordnung hat. Die Trupps führen einen Kontrollbogen mit Foto der betreffenden Person mit sich. Ist sie anwesend, gibts ein Häkchen auf dem Bogen. Selbstverständlich wird auch verlangt, dass die Kinder da sind.
Was danach passiert, kann nur als Hausdurchsuchung bezeichnet werden. Die «Betreuer» marschieren in die Wohnungen, reissen die Kästen auf, wühlen in der Wäsche rum, kontrollieren den Kühlschrank. Sehen sie eine neue Anschaffung, wird sofort nachgefragt, woher diese sei und wie viel sie gekostet habe. Erlaubt sich jemand, zur verlangten Zeit nicht zu Hause zu sein, wird mit dem Entzug der Sozialhilfe gedroht.
Es stellt sich die Frage, wer diesen von der Caritas angeleiteten «Betreuern» das Recht gibt, so zu handeln. Offenbar niemand.
Gemäss einer Sprecherin der Caritas Solothurn ist seit Anfang Jahr direkt die Schweizer Caritas-Zentrale für die Asylsuchenden zuständig. Dort gibt sich Helen Gebert, zuständig für die Betreuung der Gemeindebetreuer, bedeckt. Sie höre zum ersten Mal von diesen Vorfällen und fände sie persönlich unhaltbar, da damit in die Privatsphäre der Menschen eingegriffen würde. Bestehe ein begründeter Verdacht, beispielsweise auf Drogendelikte, sei dies Sache der Polizei und nicht der Betreuer. Caritas habe jedoch keinerlei Weisungsbefugnis und könne dementsprechend nichts unternehmen.
Von kantonaler Seite zuständig für Asylsuchende bzw. ihre BetreuerInnen ist Bernhard Felder, Leiter der Asylabteilung der Sozialhilfe im Kanton Solothurn. Auf Anfrage bezweifelt er, dass «sich das in dieser Bandbreite zugetragen» habe. Er habe keine Kenntnis von solchen Trupps, verspricht aber, den Vorwürfen nachzugehen.
Diara hat sich wegen der Kontrolltrupps auch an die Organisation IGA Solothurn SOS Racisme gewandt. Diese wurde schon zu einem früheren Zeitpunkt mit der Problematik konfrontiert. Damals jedoch wollten die Betroffenen aus Angst vor Repressalien keine Öffentlichkeit.
 
Solothurns Familiendefinition
Eine weitere grobe Diskriminierung in Solothurn ist die Familiendefinition: Der Kanton Solothurn platziert Asylsuchende oder auch Familien, die «der gleichen oder einer ähnlichen Ethnie» angehören, zusammen in einer Wohnung und deklariert sie als «Familie», obwohl keinerlei verwandtschaftliches Verhältnis zwischen ihnen besteht. Denn Familien haben einen viel niedrigeren Sozialhilfe-Tarif als Einzelpersonen. Dieses Vorgehen hat der Kanton per Regierungsratsbeschluss abgesegnet. So wurden beispielsweise während des Balkankrieges 1991 zwei Familien aus Serbien bzw. Kroatien zusammen auf einem Bauernhof untergebracht und zu einer achtköpfige Grossfamilie umfunktioniert.
Auch in Sachen Arbeit herrschen in Solothurn seltsame Verhältnisse. Es gibt die so genannten landwirtschaftlichen Einsätze für Asylsuchende, die dabei etwa 5 Franken in der Stunde verdienen - ohne Arbeitsbewilligung, aber legalisiert durch eine kantonale Weisung.
Wer an näheren Auskünften, an Dokumentationen oder an einer Zusammenarbeit gegen die systematische Diskriminierung Asysuchender in Kanton Solothurn interessiert ist, kann sich bei der IGA Solothurn - SOS Racisme, Rossmarktplatz 2, Postfach 1010, 4502 Solothurn melden.
augenauf Basel
*Name geändert

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