Bulletin Nr. 31; Juni 2001

Der zweite Prozess gegen den Flüchtling Lukombo Lombesi

Teilweiser «Freispruch» für das Opfer

Lukombo Lombesi, der vor zwei Jahren einen grausamen Ausschaffungsversuch erdulden musste, stand zum zweiten Mal vor Gericht. Diesmal vor dem Obergericht in Zürich. Das hohe Strafmass, welches das Bezirksgericht für mehrere Delikte verhängt hatte, wurde bestätigt, aber Lombesi erhielt einen Freispruch im Anklagepunkt der Gewalt gegen Beamte, die er angeblich während seiner Ausschaffung angewendet haben soll.

Mit einem masslos übertriebenen Sicherheitsdispositiv fand am 18. Mai vor dem Obergericht in Zürich der Prozess gegen Lukombo Lombesi statt. Lombesi wurde vom Zürcher Rechtsanwalt Marcel Bosonnet vertreten. Die einzigen zwei anwesenden Prozessbeobachterinnen wurden kurz vor Beginn des Prozesses einzeln in das Gericht geführt und einer akribischen Körperkontrolle durch eine Polizistin unterzogen.
Das Obergericht bestätigte nach stundenlangen Befragungen den früheren, sehr hohen Schuldspruch des Bezirksgerichts von 14 Monaten wegen mehrfachen Diebstahls (Parfümgütterli), wegen Tätlichkeit gegen einen Warenhausdetektiv und wegen mehrfacher Zuwiderhandlung gegen das Ausländergesetz (ANAG) und gegen das Betäubungsmittelgesetz.
Im Zentrum der Gerichtsverhandlung stand die Anklage wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte während einer Level-3-Ausschaffung nach Kinshasa. Lombesi hatte angeblich einem Polizisten das Nasenbein gebrochen. Lombesi bestreitet dies nach wie vor. Es ist nie versucht worden, diesen Sachverhalt aufzuklären, obwohl eine Liste mit Namen von mehreren Passagieren des fraglichen Fluges vorhanden ist. Wegen des Vorenthaltens dieser ZeugInnenliste wird Lombesis Anwalt den Fall weiterziehen.
Bosonnet wies das Gericht darauf hin, dass Polizisten in einem Flugzeug ganz normale Passagiere sind, also keinen Beamtenstatus haben. Somit sei der Tatbestand der Gewalt gegen Beamte nicht gegeben. Für den Tumult nach der Landung in Yaoundé müsste allenfalls kamerunisches und nicht schweizerisches Recht zur Anwendung kommen. Lombesi sei deshalb freizusprechen.
Das Obergericht kam zum gegenteiligen Schluss, dass während Ausschaffungsflügen an Bord der Schweizer Flugzeuge Schweizer Recht gelte. Trotzdem kam es beim Anklagepunkt der Gewalt gegen Beamte zu einem Freispruch. Nur Sascha B., der am Prozess anwesende, aber meist vor sich hin- dösende Berichterstatter des «Tages Anzeigers», vermeinte einen Schuldspruch herauszuhören, eine entsprechende Richtigstellung wurde verschämt eine Woche später publiziert.
Lombesi droht nach Verbüssung seiner Strafe im Kanton Schwyz erneut eine Zwangsausschaffung. Die Frage ist nur: Wird sie wieder in «Begleitung» von Zürcher Kantonspolizisten in den Kongo erfolgen? Oder wird es gar zu einer Level-4-Ausschaffung kommen? Das wäre eine Ausschaffung in einem gecharteten Flugzeug unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Und im Kongo? Wartet dort auf ihn die Fortsetzung der Inhaftierung unter afrikanischen Bedingungen? Eine Ausschaffung in Sicherheit und in Freiheit ist keinesfalls zu erwarten, denn Ausschaffungen auf Level 3 und 4 sind faktisch Auslieferungen an die dortigen Polizeibehörden.
augenauf Zürich
(Zu den Hintergründen: Siehe Bulletins Nummer 29 und 30.)

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