Bulletin Nr. 30; März 2001

Als Asylbewerber an der Empfangsstelle Basel

Ausschaffen statt empfangen

Um Asylbewerber möglichst schnell wieder loszuwerden, gibt es verschiedene Mittel. Das Bundesamt für Flüchtlinge (BFF) behauptet zum Beispiel, der oder die Betreffende sei durch ein sicheres Drittland eingereist und lässt die Person subito dorthin zurückschaffen.
A. P. flüchtete von Afghanistan in die Schweiz, da er in seinem Heimatland von den neuen Machthabern bereits einmal ins Gefängnis gesteckt und sein Bruder umgebracht wurde. In der Schweiz hat er einen Onkel, der hier mit C-Bewilligung lebt.
A. P. wendet sich nach seiner Einreise an die Empfangsstelle in Basel. Dort wird ihm vom Bundesamt für Flüchtlinge eröffnet, er habe zurück in den «sicheren Drittstaat» zu reisen, wo er einen Entscheid über sein Asylgesuch abzuwarten habe. Das sichere Drittland ist Deutschland, das Land, welches A. P. als Durchgangsstation brauchte, um in die Schweiz zu kommen. Der Afghane spricht weder deutsch, noch kennt er dort jemanden. Dennoch: Das BFF verfügt eine «vorsorgliche Wegweisung» und A. P. wird sofort ins neue Basler Ausschaffungsgefängnis «Bässlergut» verfrachtet.
 
Ausgeschafft nach Deutschland
Mit diesem Entscheid missachtet das BFF die gängige Praxis, Leute nur dann in ein «sicheres Drittland» zurückzuschaffen, wenn sie mehr als 20 Tage dort verbracht haben. Ausserdem hat A. P. in der Schweiz einen nahen Verwandten. Im Prinzip hätte A. P. nun eine Frist von 24 Stunden, um gegen den Wegweisungsentscheid des BFF vorzugehen und die «Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung» zu verlangen. Dies zu tun ist aber für eine Person, die im Ausschaffungsgefängnis sitzt und die zudem keine europäische Sprache spricht, ohne Hilfe von aussen aussichtslos.
Mit der sofortigen Überstellung A. P.s ins Ausschaffungsgefängnis wird also technisch ein solches Gesuch verhindert. Sein Onkel erfährt erst viel zu spät von der Inhaftierung. Obwohl er sich noch via augenauf um einen Anwalt bemüht, ist es zu spät. A. P. wird am 21. Dezember dem Bundesgrenzschutz in Lörrach (D) übergeben. Ein Rückübernahmeeinverständnis liegt vor.
 
Präjudiz-Urteil verhindert
Einen Tag nach der Ausschaffung nach Deutschland wird A. P., mittellos, von der deutschen Polizei in Lörrach auf die Strasse gestellt. Man will ihn aber doch loshaben: Ihm wird eine Ausreisefrist bis zum 28. Dezember gestellt. A. P. reist zurück in die Schweiz. Erst jetzt kann augenauf in seinem Auftrag eine Beschwerde bei der Asylrekurskommission (ARK) gegen den Wegweisungsentscheid machen. Diese verfügt noch gleichentags die Aussetzung des Entscheides als vorsorgliche Massnahme, am 4. Januar 2001 dann definitiv die aufschiebende Wirkung des Rekurses. Zu einem materiellen Entscheid der ARK kommt es allerdings nicht mehr. Das BFF hebt am 19. Januar seinen Entscheid selbst auf und verfügt, dass A. P. in ein ordentliches Asylverfahren kommt.
Für A. P. ist die Situation jetzt zwar geklärt. Dennoch bleibt ein schaler Nachgeschmack: Das BFF ist mit seinem Aufhebungsentscheid einem Präjudiz-Urteil der ARK zuvorgekommen. Die Praxis, Flüchtlinge sang- und klanglos an den Empfangsstellen wieder in ein «sicheres Drittland» zurückzuschaffen, ohne ihnen die Möglichkeit zu geben, dagegen mit rechtlichen Mitteln zu opponieren, geht deshalb weiter.
augenauf Zürich

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