Bulletin Nr. 29; November 2000

Beschleunigtes Gerichtsverfahren in Zürich

Das neue Schnellverfahren - Die Mühle mahlt
Man hörte bisher nicht viel über das neue Schnellverfahren welches es ermöglicht, geständige «Kleinkriminelle» innert 24 Stunden zu Haftstrafen von bis zu 3 Monaten zu verurteilen. Tatsächlich aber mahlt diese Mühle inzwischen auf Hochtouren. Pikantes Detail ist dabei, dass die grösste Gruppe, welche es nun mit dem neuen Gesetz zu tun bekommt, vor allem MigrantInnen sind, welche gegen das hiesige Ausländergesetz verstossen haben (illegaler Aufenthalt oder Einreise, Verstösse gegen das Arbeitsgesetz, etc.). Im Vorfeld der Einführung des neuen Gesetzes wurde dieses ausschliesslich damit propagiert, dass geständige Diebe und Kleindealer schneller an die Kasse kommen und somit die Kleinkriminalität effektiver bekämpft werden könne. Es war nie die Rede davon, dass das Schnellverfahren vor allem in Bereichen der Ausländergesetzgebung zur Anwendung kommen wird. Ein weiteres, ebenfalls pikantes Detail ist, dass die Strafen durchschnittlich höher ausfallen als in einem «normalen» Verfahren. Eigene Erfahrungen mit dem Zürcher Schnellgericht hat auch eine 20-jährige Österreicherin gemacht, welche am 7. September 2000 im Rahmen der Räumung eines besetzten Hauses verhaftet wurde. Schon am nächsten Tag wurde sie wegen Hausfriedensbruchs auf Bewährung verurteilt und wenige Stunden später hatte sie aus Bern vom Bundesamt für Ausländerfragen eine Einreisesperre für 3 Jahre in den Händen. Sie wurde daraufhin sofort an die Grenzen gefahren und dort in einen Zug in Richtung Österreich gesetzt. Dies alles geschah innerhalb von 24 Stunden! Während des ganzen Verfahrens wurde sie vom zuständigen Bezirksrichter nie darüber informiert, dass es sich um eine Schnellverfahren handelt. Sie wurde im Gegenteil sogar zusätzlich unter Druck gesetzt, indem der Richter ihr drohte, dass sie solange in Haft bleibe, bis sie «geständig» sei. Schliesslich gab sie nach und unterzeichnete das Urteil widerwillig. Dies obwohl eigentlich ein Schnellverfahren nicht gegen den Willen des/der Angeklagten und nicht ohne ein klares Schuldeingeständnis in Frage kommt.
Es ist nicht auszudenken wie chancenlos Menschen sind, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind. Sie haben weder die Möglichkeit, die Anschuldigungen in ihre Muttersprache übersetzen zu lassen, noch überhaupt in einem angemessen Rahmen reagieren zu können.
Wir rufen alle Menschen auf, die gegen ihren Willen oder ohne ein klares Schuldeingeständnis in einem Schnellverfahren verurteilt wurden, mit augenauf Kontakt aufzunehmen und uns ihre Erfahrungen zu schildern.

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