Bulletin Nr. 29; November 2000

Übergriffe auf Schwarzafrikaner in St. Gallen

Rassismus muss benannt und geahndet werden

Der Rechtsextremismus und seine Ableger sind in der Ostschweiz ein altes Thema, das von Seiten der Regierung und der Polizei immer noch nicht ernst genommen wird. Dies obwohl willkürliche Angriffe auf Menschen, die anders aussehen, anders denke oder anders glauben immer öfters stattfinden und die Angreifer skrupellos und brachial vorgehen. Eine beispielhafte Geschichte.
Es ist Sonntagmorgen, den 27. August, um circa 00.35 Uhr: Zwei Schwarzafrikaner (A. und B.) verlassen zusammen mit einer hellhäutigen Freundin (C.) den African Club, der sich im Linsenbühl befindet. Auf dem Weg Richtung Marktplatz werden sie von fünf Naziskins entdeckt. Einer der Skins rempelt A. an, packt und würgt ihn von hinten. A.s Brille fällt bei der Attacke auf den Boden und geht zu Bruch. Er sieht nichts mehr und kann sich dementsprechend schwer zu Wehr setzen. Inzwischen wird B. von den andern vier angegriffen (5 gegen 2). C. rennt zurück in den African Club um Verstärkung zu holen. Etwa 15 weitere Skinheads kommen dazu und prügeln hemmungslos auf die Schwarzen ein, die sich mit allen Mitteln verteidigen (20 gegen 2). Nun kommen fünf schwarze Personen zur Hilfe. Am Strassenrand und auf den Balkonen reihen sich die Schaulustigen - doch niemand schreitet ein. Die Afrikaner können sich erfolgreich wehren (20 gegen 7) und die Skins ergreifen die Flucht.
Erst um 1.15 Uhr taucht ein Einsatzwagen mit vier Stadtpolizisten auf. Besser, sie wären nicht gekommen, denn jetzt kehren die Skins mit der Polizei im Rücken zurück und fühlen sich stark. Sie mobilisieren per Telefon weitere Gleichgesinnte, die nach kurzer Zeit auch am Ort erscheinen. Auch die Afrikaner rufen Leute zur Verstärkung. Weitere 64 Kantons- und Stadtpolizisten (Angabe der Polizei) in Vollmontur fahren am Ort des Geschehens ein und versuchen die etwa 40 Skins und die 30 Schwarzafrikaner auseinander zu halten. Die Stimmung ist sehr gespannt.
1.45 Uhr: Der Präsident des African Club, D., trifft am Ort ein. Er beruhigt die Afrikaner und macht ihnen klar, dass sie sich nicht zu sehr von den Glatzen provozieren lassen sollen. D. stellt fest, dass es unter den Afrikanern Verletzte gibt und verlangt eine Ambulanz. Der Einsatzleiter verweist auf die Autobesitzer unter den anwesenden schwarzen Personen mit dem Hinweis, die Polizei habe jetzt keine Zeit. Erst als einer der beiden Verletzten interveniert: Die Polizei hätte schon längst die Ambulanz gerufen, wenn er einer von den Skinheads wäre. Wenige Minuten später kommt ein Ambulanzwagen und die beiden Verletzten werden ins Kantonsspital gebracht.
Kurz darauf fordert die Einsatzleitung den Vereinspräsidenten auf, dafür zu sorgen, dass alle Personen afrikanischer Herkunft den «Schauplatz» verlassen und in den African Club zurückgehen sollen. Dieser Aufforderung kommt D. selbstverständlich nicht nach, und er macht darauf aufmerksam, dass doch die Skins die Bedrohung darstellen und deshalb abgeführt werden müssen.
4.00Uhr: Die Polizeieinsatzleitung schreitet nun endlich zur Tat, organisiert zwei Kastenwägen und bringt die Skinschläger zur Personaliensicherstellung auf die Wache.
Der weisse Augenzeuge, der gesehen haben soll, wie alle Glatzen zehn Minuten nach ihrer Festnahme auf dem nahen Marktplatz wieder freigelassen wurden, ist nicht mehr auffindbar. Sollte dies zutreffen, bleibt offen von wie vielen Skins die Personalien tatsächlich sichergestellt wurden.
Die Schwarzafrikaner gehen zurück in den African Club. Dort werden von vier Polizisten die Personalien aller beteiligten Afrikaner festgehalten. Am Dienstag der darauffolgenden Woche findet D. eine Morddrohung in seinem Briefkasten. Er erstattet bei der Kantonspolizei Anzeige gegen Unbekannt. Eine Woche darauf findet er die selbe Drohung nochmals im Briefkasten des African Club. Bis heute ist es der Polizei nicht gelungen, den Briefverfasser zu ermitteln.
Die Berichterstattung in den lokalen und überregionalen Medien der folgenden Tage sowie die Stellungnahmen der für den Polizeieinsatz verantwortlichen Polizeibeamten verharmlosen den Vorfall und leugnen die bekannte Gewaltabsicht von Skinheads gegen Personen dunkler Hautfarbe:
- Es stimmt nicht, dass es keine Zeugen gibt. Drei Schweizer Zeuginnen, die den Übergriff von Anfang bis Ende beobachtet haben, machen bei der Polizei Aussagen. Diese werden aber mit dem Argument der Voreingenommenheit nicht akzeptiert.
- Es ist nicht wahr, dass 80 Schwarzafrikaner anwesend waren. Vermutlich hat die Polizei alle dunkelhäutigen Personen, die das Szenario am Rand mitverfolgten, ebenfalls mitgezählt.
- Falls eine Anklage wegen Raufhandels gegen alle Beteiligten erhoben wird, werden die von der Aggression und Gewalt betroffenen Personen afrikanischer Herkunft ebenfalls als Täter mit eingeschlossen und somit kriminalisiert.
- Es geht nicht an, dass Einsatzleiter der Polizei in der Öffentlichkeit Sprüche von sich geben, («Es hat getönt wie im Urwald», Zitat NZZ und St.Galler Tagblatt), die die Situation eindeutig verdrehen.
- Die Presse ist grundsätzlich aufgefordert, genaue, distanzierte und niveauvolle Berichterstattung zu betreiben und den Sachverhalt im Vorfeld zu klären. Einseitigkeit ist fehl am Platz.
Wir fordern ALLE auf, sich den RassistInnen und FaschistInnen in der Öffentlichkeit entgegenzustellen, bei verbalen und gewalttätigen Übergriffen auf Mitmenschen nicht tatenlos zuzusehen und sich auf jeden Fall einzumischen!
augenauf St. Gallen

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