Bulletin Nr. 28; Juli 2000

Ausschaffungen ins Bürgerkriegs-Chaos von Sierra Leone

Erst Britische Fallschirmjäger setzen Schweizer Frepo Grenzen

Die Zürcher Fremdenpolizei hat am 13. Mai einen Afrikaner ins Flugzeug nach Sierra Leone gesetzt. Dort angekommen wurde er umgehend von Britischen Fallschirmjäger zurückgeschickt. Diese waren gerade dabei, die Europäer aus dem Bürgerkries-Land zu evakuiern.
Drei Tage nachdem britische Fallschirmjäger den Flughafen der sierra-leonischen Hauptstadt Freetown besetzt haben, um Europäer zu evakuieren, organisierte die Zürcher Fremdenpolizei eine Ausschaffung in das Bürgerkriegsland. Ein 37-jähriger, aus Sierra Leone stammender Flüchtling, hat am Samstag den 13. Mai Zürich mit dem Swissair-Flug 252 Richtung Abidjan verlassen. Als er tags darauf in Freetown ankam, hat ihm ein britischer Fallschirmjäger mitgeteilt, dass man in Sierra Leone zur Zeit «evakuiere» und nicht etwa «repatriiere». Am Dienstag, den 16. Mai, ist der Flüchtling wieder in Zürich eingetroffen.
 
Frepo und Honorarkonsul
Direkt verantwortlich für das absurde Spiel mit dem Leben des Afrikaners ist die Zürcher Flughafenpolizei, die der Fremdenpolizei am 11. Mai mitgeteilt hat, dass der Flughafen von Freetown offen sei und deshalb «der Vollzug des obgenannten Ausländers eingeleitet» werden könne. Mitverantwortlich ist der sierra-leonische Honorarkonsul in Genf - ein Schweizer notabene - der am 8. Mai auf Anfrage der Zürcher Fremdenpolizei ein Laissez-Passer für den Flug nach Freetown ausgestellt hat. Verantwortung trägt auch der Schweizer Honorarkonsul in Freetown, der kurz vor seinem bürgerkriegsbedingten Abtauchen am 5. Mai in die Schweiz gemeldet hat, dass Ausschaffungen nach Freetown noch möglich seien.
Dem Bundesamt für Flüchtlinge war die Freetown-Connection schon kurz vor der erfolgten Ausschaffung des Afrikaners zu heiss geworden. Gemäss Aussage des BFF-Sprechers Dominique Boillat habe man am 10. Mai die Ausschaffungen nach Freetown gestoppt (SonntagsZeitung, 28.5.00). Das BFF hat allerdings darauf verzichtet, die Kantone und die Öffentlichkeit über diesen Schritt zu informieren. Das führte nicht nur zum absurden Zürcher Ausschaffungsflug vom 13. Mai. Wegen dem Verzicht auf die Kommunikation sitzen Dutzende von Sierra-Leonis weiterhin in Schweizer Ausschaffungsgefängnissen. Seit dem 10. Mai müssten sie eigentlich auf freiem Fuss sein. Denn wenn die Ausschaffung nicht möglich ist, entfällt gemäss Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht auch der Grund für die Ausschaffungshaft.
 
 
Ausschaffung per Charter
Laurent Perriard ist der Mann, der seit September 1999 im Auftrag der Kantone Charterflüge für «renitente» Ausschaffungshäftlinge organisiert. Seit die Swissair gefesselte und verklebte Level-3-Häftlinge nicht mehr auf ihre Flüge mitnimmt, sind die Kantone und das Departement Metzler auf solche Charterflüge ausgewichen. Man sei nur eine «Koordinationsstelle» der Kantone, sagt Perriard. Geflogen werde, wenn mindestens zwei Häftlinge an den gleichen Ort deportiert werden müssten. Und das sei gar kein so einfaches Unterfangen. Wenn ein Kanton um einen Charter nachsuche, müsse er weitere Leute finden, die «verfügbar» sind, und immer auch darauf achten, dass notfalls noch «Ersatzleute» aus den Ausschaffungsgefängnissen geholt werden könnten. Denn allein für den Flug zahlt der Bund 100'000 Franken.
Über zwanzig solche Charter hat Perriard seit September 1999 von Zürich, Genf und Sion aus in die Welt geschickt. Zwischen 50 und 100 unerwünschter Ausländern hat sich die Schweiz auf diesem Weg in den letzten acht Monaten entledigt. Kostenpunkt: Gegen drei Millionen Franken, die Löhne für die mitfliegenden Polizisten - in der Regel mindestens fünf - nicht mitgerechnet.
Wer die Sicherheitslage prüfe und entscheide, ob ein solcher Charter auch durchführbar sei, wollte augenauf von Perriard wissen. Das werde im BFF gemacht, aufgrund einer Lagebeurteilung. Man stütze sich auf Informationen des UNHCR, der IOM (International Organization of Migration), des EDA und den Informationen der Botschaften.
Wie seriös die Lagebeurteilung angestellt wird, zeigt das Beispiel Sierra Leone. Schon vor Monaten hatte das UNHCR die Devise herausgegeben, dass auf Ausschaffungen in dieses Land aus Sicherheitsgründen verzichtet werden müsse. Anfang Mai berichtete die internationale Organisation, dass 80 Prozent des Landes von den Rebellen kontrolliert werde. Eine Überprüfung der Lage vor Ort sei unmöglich, weil keine internationalen Vertreter mehr im Land seien. Ausschaffungen dürften unter diesen Umständen keine mehr durchgeführt werden. In Freetown sei die Infrastruktur am Rande des Zusammenbruchs.
Der Schweizer Honorarkonsul namens Rüdiger Bruns war da anderer Meinung. Er war es, der zur gleichen Zeit meldete, dass in Freetown alles Okay sei. Und weil ein Ausschaffungscharter immer eine mittelfristige Sache sei und man nicht wisse, wie sich die Lage in Freetown entwickeln werde, habe man so einen geplanten Charter nach Freetown auch nicht abgeblasen, sagt Perriard gegenüber augenauf.
Wer denn im ganzen Ablauf garantiere, dass das Non-Refoulement-Prinzip - das internationale Recht, das eine Abschiebung in Gebiete, in denen Menschen an Leib und Leben gefährdet sind, verbietet - nicht verletzt werde, wollte augenauf weiter wissen. Auch das lässt Perriard cool. Es sei umstritten, ob in dieser Situation das Non-Refoulement-Prinzip überhaupt zur Anwendung komme. Schliesslich habe der Ausschaffungsgefangene selbst jederzeit die Möglichkeit, ein Wiedererwägungsgesuch zu stellen. Wenn er der Meinung sei, dass eine Ausschaffung nicht zumutbar sei, könne er auf diesem Weg intervenieren.


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