Bulletin Nr. 28; Juli 2000

Die Polizei verbreitet im Flughafengefängnis Angst und Schrecken

Gefängnisdirektor hilft mit

Der Kameruner Jean B.* wurde am 19. April brutal zurückgeschafft. Ein Zeuge der Misshandlungen wird genötigt sein Asylgesuch zurückzuziehen und "freiwillig" zurückzureisen. Aktuelles aus dem Flughafengefängnis Kloten, wo nach wie vor nur eins zählt: Ausschaffen um jeden Preis.
Die beiden Kameruner Jean B. und Robert A. schlafen, als morgens um 4 Uhr des 19. April 2000 die Zellentüre im Ausschaffungsgefängnis Kloten aufgerissen wird und vier maskierte Männer, gefolgt vom Gefängnisdirektor Ernst Rohner in den engen Raum stürzen.
Die Maskierten, Zürcher Kantonspolizisten, wie sich später herausstellt, lassen sich Jean B vom Gefängisdirektor. zeigen, dann packen sie zu. Auf die Frage von Jean B., was denn los sei, erhält er den ersten Schlag. Er schreit. Weitere Schläge folgen. Der Direktor versucht die Schreie mit einem Kopfkissen zu dämpfen. Schliesslich gelingt es der Übermacht Jean B. an Händen und Füssen zu fesseln und aus der Zelle zu zerren. Sein Zellengenosse, Robert A. bleibt konsterniert zurück, an seinen Bett kleben Blutspritzer vom vorherigen Kampf.
 
Zeuge informiert augenauf
Jean B. wird noch am selben Tag nach Kamerun geflogen. Dort verbleibt er, verletzt am ganzen Körper in Obhut der Kameruner Flughafenpolizei, die in ihm, den zurückgeschafften Flüchtling, einen Staatsfeind wittern und ihn in eine Zelle stecken.
Währenddessen ist der in Zürich verbliebene Robert A. vom Vorfall schwer mitgenommen. Auch er ist Asylbewerber, nur anders als bei Jean B., kann er noch nicht zurückgeschafft werden. Robert A. hat noch eine Rekurs gegen den ablehnenden Entscheid des Bundesamtes für Flüchtlingswesen (BFF) am laufen zudem fehlt ein "laisser passer", also die Zusicherung zur Einreise von den Kameruner Behörden.
Am nächsten Tag, den 21. April ruft Robert A. ein Mitlied der Menschenrechtsorganisation augenauf an und erzählt das Erlebte. Die augenauf-Aktivisten schaltet schnell. Sie kennt Jean B. und informiert seine Familie in Yaundé.. Dort weiss man nichts von der Rückschaffung, eilt aber nun sofort zum Flughafen um Jean B. zu suchen. Der Familie gelingt es schliesslich ihn aufzuspüren und kann erwirken, dass er in ein Spital gebracht wird. Tags darauf erstellt der behandelnde Arzt ein Zeugnis, der die verschiedenen Verletzungen von Jean B. bescheinigt. So hat er gemäss dem augenauf vorliegenden Zeugniss Wunden und Blutergüsse an Kopf, Brust, Bauch, Beinen und Armen. Der Arzt schreibt ihn 45 Tage arbeitsunfähig.
Jean B. verbleibt noch einige Tage im Spital und taucht dann unter, nachdem er eine Vorladung der Polizei erhalten hat. Nach den jüngsten Informationen, die augenauf vorliegen, ist es inzwischen seiner Familie gelungen ihn durch Bezahlung einer hohen Geldsumme freizukaufen.
 
Panik im Flughafengefängis
Zurück nach Kloten: Die Art und Weise, wie Jean B. traktiert wurde, hat im Flughafengefängis Empörung aber auch grosse Angst ausgelöst. Jean's Schreie war für alle hörbar und alle wussten, es kann ihnen genauso gehen. Ein Mithäftling vom selben Stock, der Tunesier Ali N., erzählt augenauf am 21. April von den Schreien und zeigt sich total verängstigt und deprimiert. Seine Ausschaffung steht kurz bevor. Am 23. April, dem Ostersonntag, muss er notfallmässig in die psychiatrische Klinik Embrach eingeliefert werden. Eine Häftlingsgruppe tritt darauf für einen Tag in den Hungerstreik, eine Gruppe von inhaftierten Frauen weigert sich ihre Kleider anzuziehen.
Auch Robert A., kann das erlebte nicht vergessen. Als Zeuge der polizeilichen Übergriffe, wird er jetzt vom Gefängnispersonal speziell behandelt. Man bietet ihm Vergünstigungen an. Zudem wird er von den polizeilichen Sachbearbeitern gedrängt, doch "freiwillig" nach Kamerun zurückzufliegen. Sein Asylgesuch sei sowieso aussichtslos und selbständig ein Flugzeug zu betreten sei allemal angenehmer als "begleitet". Obwohl er momentan gar nicht ausgeschafft werden kann, unterschreibt er schliesslich einen Verzicht und fliegt am 27. April "freiwillig" nach Kamerun zurück. Bevor Robert A. abfliegt, informiert augenauf die Angehörigen von seiner Ankunft in Douala. Tags darauf kommt ein Fax von Robert A.: Er habe am Flughafen grosses Glück gehabt. Die Polizei hielt in stundenlang fest. Nur dank der Gegenwart seines Onkels und mehrerer Freunde sei es ihm gelungen durch ein Fenster des Flughafens zu entkommen - nach Bezahlung eines Lösegeldes an die Polizisten.
*Alle Namen der Asylbewerber wurden zu ihrer Sicherheit von der Redaktion geändert
 
 
Kamerun: Folter alltäglich
Die beiden Kameruner Robert A. und Jean B. haben die Schweiz nur aus der eingeschlossenen Perspektive kennengelernt. Nach gängiger Rechtssprechung sind sie sogar nicht einmal in die Schweiz eingereist, denn sowohl der Transit des Flughafens, wie neuerdings auch das Flughafengefängis gilt als exterritoriale Zone. Dabei hofften die Beiden auf Asyl, den Kamerun ist zwar formell eine Demokratie, doch in Tat und Wahrheit sitzen politische Oppositionelle und kritische JournalistInnen in den Gefängnissen. Laut aktuellen Berichten der UNO und Amnesty International wird in Kameruner Gefängnissen und auf Polizeistationen systematisch geschlagen und gefoltert.
Robert A. und Jean B. haben sich im Januar dieses Jahres an Studentenprotest in der Universitätsstadt Douala beteiligt. Dabei forderten die Protestierenden eine bessere Ausbildung und Schluss mit der weitverbreiteten Korruption im Lehrbetrieb. Die Kameruner Regierung sah in den von den StudentInnen veranstalteten Sit-Ins bereits eine staatsgefährdende Aktion. Die Proteste wurden verboten und viele AktivistInnen flüchteteten aus Angst vor Repressalien ins Ausland. Einige Personen, augenauf weiss von mindestens sechs, gelangen auch in die Schweiz. Alle ausser zwei Person sind mit dem sogenannten Flughafenverfahren abgefertigt worden.


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