Bulletin Nr. 25; Juli 1999

Polizisten gegen Zwangsausschaffungen

Am 1. Juni 1999 hat augenauf einen anonymen Brief erhalten. Die Autoren sind Polizeibeamte, die Angst davor haben, als “Begleitpersonal” bei Zwangsausschaffungen eingesetzt zu werden. Es ist bemerkenswert, dass sich Polizisten an “augenauf” wenden. Die Ausschaffungsmethoden haben offensichtlich einen Grad an Brutalität erreicht, der selbst das ausführende Personal in existenzielle Nöte bringt. Die Polizisten sahen sich gezwungen, das Schweigen zu brechen und die sich an die Kritiker der Polizei zu wenden. Wir dokumentieren Teile des anonymen Schreibens, das auch der Berner Zeitung zugesandt worden.

 
Betreff: Rückführungen von Ausländern, deren Identität nicht bekannt ist unter Begleitung durch Polizeibeamte.
Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren. In Deutschland, Österreich, Belgien und der Schweiz haben in den letzten Monaten solche Rückführungen mit dem Tode der Ausländer geendet. Die Polizeibeamten waren teilweise selbst gefährdet, wurde der Tod erst im Ausland festgestellt. (...) Das Bundesamt für Flüchtlinge in Bern-Wabern stellt den kantonalen Behörden (Polizei) sogenannte «EJPD-Reisedokumente» aus. Diese werden in einem Umschlag verschlossen direkt am Flughafen in Zürich oder am Zielflughafen im Ausland bereitgestellt. Diese Dokumente dürfen von den begleitenden Beamten nicht fotokopiert werden. Die Dokumente werden vorwiegend für Ausländer aus afrikanischen Staaten ausgestellt, wenn der Ausländer keinem Staat eindeutig zugeordnet werden kann. Somit stellt der Bund für Ausländer Reisedokumente aus, welche oftmals mit dem, vom Ausländer angegebenen, nicht überprüfbaren Namen versehen sind. (...)
Da (...) in gewissen afrikanischen Ländern für die Polizeibeamten aus der Schweiz (...) nicht zu unterschätzende Gefahren bestehen (Zwangsweise Rückführung eines unbekannten Ausländers), werden diese vom Bund mit «Diplomatenpässen» versehen. Dieser Pass soll wenigstens ein wenig vor Übergriffen gegen Leib und Leben der Polizeibeamten schützen. Auszuschliessen sind solche Übergriffe jedoch nicht, sind die Diplomatenpässe der Polizeibeamten doch nicht im diplomatischen Corps angemeldet oder akkreditiert worden.
Solche halsbrecherischen Ausschaffungen müssen «geheim» gehalten werden, somit haben die Polizeibeamten eine ausdrückliche Schweigepflicht. Gegenüber der Presse und der Öffentlichkeit dürfen solche Aktionen nie erwähnt werden. Da sich Polizeibeamte dieser Arbeit nicht entziehen können, jedoch auch nicht an die Öffentlichkeit gelangen können, muss dieses Schreiben anonym geschrieben werden, jedoch mit der Bitte, das Schreiben ernst zu nehmen. (...)

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