Bulletin Nr. 24; Mai 1999
Ausschaffung eines psychisch Kranken nach Kosova
«Die Wegweisung ist sofort zu vollziehen»
Die Ende Januar vollzogene Ausschaffung des heute 22jährigen Q.A.
nach Kosova ist ein weiteres Beispiel, wie in der Schweiz die Behörden mit
psychisch kranken Menschen umgehen – man schafft sie aus, um sich weiterer
«Umtriebe» zu entledigen. Wie es den Menschen nach der Ausschaffung geht,
interessiert nicht.
Der heute 22jährige Q.A. hatte in P., Kosova, ein Reisebüro, das recht gut
lief. Im Frühjahr 1997 wurde er von der serbische Polizei so schikaniert,
dass er flüchtete und in der Schweiz um Asyl nachsuchte. Er wurde dem
Kanton Luzern zugeteilt und lebte im Durchgangszentrum Emmenbrücke.
Drei Monate nach seiner Ankunft zog Q.A. zu seinem Vater in den Kanton
Solothurn. Nach Auskunft der Frepo Luzern tauchte A. jedoch unter. Später
wurde A. wegen Diebstahl zu ein und später zu vier Monaten Gefängnis
verurteilt. Während seiner Gefängniszeit war er eine Woche in einer
psychiatrischen Klinik. Nach seiner Entlassung Anfangs Oktober 1998 war er
psychisch in einem sehr schlechten Gesundheitszustand. Er wurde von seinem
Vater in eine Klinik verbracht, wo er nach drei Tagen durch ein Fenster
entwich. Er drohte, eher mache er Selbstmord, als dass er in diese Klinik
zurückgehe. Da sein Gesundheitszustand weiterhin schlecht war, wurde er von
seiner in Thun lebenden Tante zu deren Hausarzt gebracht, der befand, A.
sei schwer depressiv. Einen zweiten Termin bei demselben Arzt nahm A. nicht
wahr. Wieder zurück bei seinem Vater schloss er sich ständig in seinem
Zimmer ein und war offensichtlich schwer depressiv.
Ende November kam A’s Mutter besuchsweise von Kosova. A. erkannte sie nicht
mehr, so verwirrt war er. Er wurde gewalttätig gegenüber seinem Vater und
wollte seine Mutter umbringen, hatte aber gleichzeitig grosse Angst vor
ihr. A. weigerte sich, Hilfe zu akzeptieren und war auch nicht bereit,
einen Arzt zu konsultieren resp. sich behandeln zu lassen.
Schliesslich entschied das Bundesamt für Flüchtlinge BFF, A. sei
auszuschaffen. Aufgrund seiner Verstösse gegen Strafbestimmungen bestehe
«ein öffentliches Interesse an einem raschen Vollzug der Wegweisung». Die
generelle Verlängerung der Ausreisefrist für weggewiesene Asylsuchende aus
Kosova gelte im Falle von A. nicht, «die Wegweisung» sei «sofort zu
vollziehen». Auch ein Brief der psychiatrischen Klinik in Solothurn an die
Fremdenpolizei änderte nichts am Entscheid. Zwei Ärzte attestierten darin,
dass bei A. «nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine
Ausschaffungsfähigkeit vorliegt». Dem wurde entgegnet, dass die zuständigen
Stellen in Belgrad orientiert würden, damit sie A. bei seiner Ankunft, wenn
nötig, ärztlich betreuen könnten.
Die Frepo Solothurn verhaftete A. am 27. Januar 1999 bei seinem Vater. A.
wurde am Freitag, 29. Januar um 17.15 ab Zürich Kloten nach Belgrad
ausgeschafft. Ein Onkel konnte organisieren, dass A. am Flughafen Belgrad
abgeholt wurde. Am Flughafen war kein Arzt. Alle sechs mit A.
ausgeschafften Flüchtlinge seien von der Flughafenpolizei gründlichst
durchsucht worden, z. T. sei ihnen alles Geld abgenommen worden.
Bedroht oder geschlagen wurde niemand. Ein Ausschaffungshäftling jedoch –
derjenige welcher am meisten Geld dabei hatte (1600 Franken) – sei von der
Polizei mitgenommen worden.
A. hatte einen Gutschein bei sich, damit er den Bus nach P. bezahlen
konnte. Er traf am Samstagmorgen um sechs Uhr bei seinen Grosseltern ein.
Er verhält sich nach wie vor auffällig, schliesst sich im Zimmer ein,
spricht mit niemanden. Seit Oktober 1998 hat A. nicht mehr richtig
gegessen, nur geraucht und geschwiegen.
Seine Mutter, die noch in der Schweiz ist, und seine Tante in Thun machen
sich grosse Sorgen um seinen Gesundheitszustand. Die Mutter hat Angst nach
Hause in den Kosova zu gehen, weil A. sie bedrohen könnte.
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