Bulletin Nr. 24; Mai 1999

In Zürich nichts neues

«Das Wort Rassismus hat in der Stadtverwaltung keinen Platz»

Die Zürcher SP-Stadträtin Esther Maurer, seit April 98 Vorsteherin der Stadtpolizei Zürich, bewegt sich in den Fussstapfen ihres Vorgängers Robert Neukomm. Auf den Brief eines Augenzeugen rassistisch inspirierter Polizeigewalt reagiert Maurer wie Neukomm: Sie übernimmt vorbehaltslos die Schilderung der ihr untergebenen Polizisten und bezeichnet den Augenzeugen als aggressiven Behinderer einer Amtshandlung.

«augenauf» dokumentierte im Bulletin Nr. 23 (Dezember 98) ausführlich, wie Behörden, Gerichte und Beamte die Polizeigewalt verharmlosen und damit legitimieren. Der folgende Briefwechsel zwischen dem WoZ-Redaktor Stefan Keller und Esther Maurer ist ein weiteres Beispiel dafür, wie Polizeibeamte in ihrem oft demütigenden und gegenüber ausländischen Menschen rassistischen Verhalten bestärkt werden. Entlarvend ist die Feststellung von Maurer, dass «das Wort Rassismus in der Stadtverwaltung keinen Platz hat». Die Polizeichefin betrachtet den in der Stadtverwaltung vorhandenen Rassismus als normal und gedenkt auch weiterhin nicht, etwas gegen diese Realität zu unternehmen. Das Korps erhält vielmehr einen Freipass: Stossen Polizeibeamte bei öffentlichen Kontrollen auf Widerspruch oder werden sie beobachtet, haben sie das Recht, Personen auf den Posten mitzunehmen «und sie dort in Ruhe zu überprüfen». Ein weiterer Stein in der Mauer polizeilicher Willkür, der es PolizistInnen erlaubt, einzupacken, wen sie wollen – sie müssen sich nur in ihrer Arbeit gestört fühlen. Zum Beispiel durch PassantInnen, die stehen bleiben, Fragen stellen oder beobachten.
 
Brief von Stefan Keller an Stadträtin Maurer
17.12.98
Vergangene Nacht um ca. 1 Uhr morgens sass ich zusammen mit einer Freundin im Restaurant «Metzg» an der Langstrasse, als zwei Beamte der Stadtpolizei hereinkamen und an meinem sowie am Nebentisch drei kurz vorher eingetroffene Personen kontrollierten. Es handelte sich um zwei junge Frauen und einen Mann, die Frauen hatten anscheinend ausländische Ausweise, der Mann, so glaube ich, verfügte über eine Schweizer Identitätskarte, aber er sah wohl ebenfalls ausländisch aus.
Da diese offenbar verdächtigen Personen von den beiden Polizisten sehr unfreundlich und aggressiv behandelt wurden, da man sie anschnauzte, dem Mann das läutende Handy mehrmals vom Ohr schlug und die drei bedrohte und ihnen vorwarf, sie würden wertvolle Arbeitszeit der Stadtpolizei vergeuden, bat ich die beiden Stadtpolizisten in vorerst ruhigem Ton, anständig mit den Leuten umzugehen.
Ich wurde daraufhin von einem Polizeimann, der sich auf Nachfrage als Hochstrasser, Kreiswache 4, vorstellte, mehrmals wütend aufgefordert, mich «nicht in Polizeiangelegenheiten einzumischen». Als ich insistierte, sagte er: «Gut, dann nehmen wir sie halt mit.» Die beiden jungen Frauen wurden daraufhin von den Stadtpolizisten aus dem Lokal geführt und möglicherweise verhaftet.
Ich beklage mich hier nicht über die Umgangsformen der Stadtpolizei einem Bürger gegenüber; man kennt sie. Ich befürchte allerdings, dass den beiden Frauen wegen meiner Intervention gegen den offensichtlichen und für alle Gäste des Lokals unübersehbaren Rassismus dieses Polizisten irgendwelche Nachteile erwachsen sind.
Ich möchte Sie daher dringend bitten, mir möglichst schnell mitzuteilen, was mit den beiden jungen Frauen nachher geschehen ist. Für Sie müsste es einfach sein, das herauszufinden.
 
Antwort von Stadträtin Maurer
15.2.99
In der zur Rede stehenden Nacht wurden in mehreren Lokalen im Kreis 4 Personenkontrollen durchgeführt. Unter anderem hätte eine solche auch in dem von Ihnen besuchten Lokal erfolgen sollen. Noch bevor die Kontrolle jedoch habe vorgenommen werden können, hätten Sie sich sehr aggressiv und lautstark durch das ganze Lokal in dem Sinne geäussert, dass die handelnden Beamten scheinbar nichts Besseres zu tun hätten, ihre Löhne schliesslich von Ihnen bezahlt würden usw. Durch Ihre Einmischung sei unter anderem ein Funkverkehr, der zur Überprüfung von Personen normalerweise benützt wird, nicht mehr möglich gewesen. Deshalb sei der Entschluss gefasst worden, die beiden Damen auf die Kreiswache 4 mitzunehmen und dort in Ruhe zu überprüfen. Wären die Beamten nicht von Ihnen an ihrer Arbeit gehindert worden, wäre die ganze Angelegenheit innert Minuten und vor Ort erledigt gewesen. Tatsächlich ist es mir nicht möglich, Sie über das Ergebnis der Personenkontrolle der beiden Frauen zu informieren. Unbevollmächtigten Dritten gegenüber werden keinerlei polizeiliche Erkenntnisse bekanntgegeben. Ich kann Ihnen aber versichern, dass den beiden Frauen aufgrund Ihrer Intervention keine Nachteile erwachsen sind.
Gegen Ihre abschätzige Bemerkung, wonach man die Umgangsformen der Stadtpolizei kenne, und insbesondere den Vorwurf des «unübersehbaren Rassismus» muss ich mich mit aller Entschiedenheit wehren. Die Stadtpolizei legt grössten Wert darauf, dass sich ihre Beamtinnen und Beamten korrekt und höflich verhalten. Wm Hochstrasser versieht seinen Dienst bei der Polizei seit mehr als 25 Jahren. Würde er sich derart rüde – wie Sie nun darzutun versuchen – benehmen, wäre dies dem Kommando längst bekannt geworden. Sein Vorgesetzter qualifiziert sein Handeln auch im vorliegenden Fall als korrekt und verhältnismässig.
Ich nehme an, dass Sie die labilen Verhältnisse im Kreis 4 kennen. Um sie einigermassen in den Griff zu bekommen, lassen sich Polizeikontrollen nicht vermeiden. Dass dabei auch nach sich allenfalls illegal in der Schweiz aufhaltenden bzw. arbeitenden ausländischen Personen gefahndet wird, hat mit Rassismus überhaupt nichts zu tun; dieses Wort hat innerhalb der ganzen Stadtverwaltung keinen Platz, so auch nicht bei der Stadtpolizei. Dass sich aber auch unbescholtene Personen einer derartigen Kontrolle zu unterziehen haben, ist vor dem Hintergrund der vielfältigen Probleme verständlich. Wann immer Bürgerinnen und Bürger von Polizeiangehörigen tangiert werden, ist dies für die Betroffenen sicher unangenehm, aber leider für eine effiziente Polizeiarbeit zur Verhinderung strafbarer Handlungen nicht zu vermeiden. Die Polizei ist dabei auf Mithilfe angewiesen und für ein kooperatives Verhalten dankbar.
 
Zweiter Brief von Keller an Maurer
23.2.99
Ihr Brief vom 15.2. erstaunt mich. Gegen Ihre beleidigenden Unterstellungen verwahre ich mich in aller Form. Sie haben mich (vielleicht weil ich WoZ-Redakor bin) komplett falsch eingestuft, mir ein sonderbares Feindbild übergestülpt. Ich bin nicht der Typ, der in Wirtschaften herumbrüllt und Polizisten belästigt. Die Darstellung, die Sie von Wm. Hochstrasser erhalten haben, ist falsch.
Ich habe Ihnen im Dezember geschrieben, dass ich mit einer Freundin in der «Metzg» sass, als der beschriebene Vorfall passierte. Diese Frau könnte als Zeugin meine Beschreibung sicher bestätigen.
Doch nach der Lektüre Ihres Briefes scheint mir, dass Sie gar nicht wissen wollen, ob sich die beiden Stadtpolizisten rassistisch bzw. unanständig verhielten. Es geht Ihnen vielmehr darum, den Ruf der Polizei zu schützen, auch wenn diese sich falsch benimmt. Die reklamierenden Bürger sind die Schuldigen, nicht die marodierenden Beamten. Indem Sie solche Vorfälle ohne wirkliche Abklärung einfach decken, machen Sie sich allerdings selber verantwortlich dafür.

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