Bulletin Nr. 23; Dezember 1998

Polizisten vom Vorwurf des Amtsmissbrauchs freigesprochen

Drei Polizisten gegen einen Bodybuilder
Ein Untersuchungshäftling musste am 13.9.95 der Bezirksanwaltschaft Bülach zugeführt werden. Unterwegs wurde er in der Zürcher Polizeikaserne in eine sogenannte Abstandszelle gebracht. Als ihn die beiden begleitenden Kantonspolizisten wenig später dort wieder abholen wollten, weigerte sich der Häftling, sich die Arme auf dem Rücken festbinden zu lassen. Der Bodybuilding betreibende Arrestant machte geltend, sein Trizeps und sein Latismus-Muskel seien derart ausgebildet, dass er die Arme nicht mehr nach hinten bringe, Tatsächlich hatte der Mann ein Arztzeugnis, in dem ihm dieses Problem bescheinigt wird. Von diesem Zeugnis hatten aber weder die begleitenden Beamten noch jene in der Kaserne Kenntnis. Auf die Weigerung des Häftlings hin konsultierten die begleitenden Beamten ihren Ordner mit den entsprechenden Vorschriften, um abzuklären, ob im Falle des Bodybuilders eine Ausnahme gemacht werden dürfe. Eine Ausnahmeregelung besteht allerdings nicht, und auch der Chef des Bereitschaftsdienstes in der Kaserne wies die Polizisten an, die Vorschrift durchzusetzen. Weil sich der Arrestant weiterhin weigerte, die Arme auf den Rücken zu legen, holten die Beamten zwei Kollegen zur Verstärkung. Einer der Polizisten sagte dem Arrestanten, sie müssten ihre Weisung notfalls gewaltsam durchsetzen. Nachdem dieser laut auf drei gezählt hatte, gingen die drei Beamten auf den Arrestanten zu. Zwei von ihnen waren mit dem Polizei-Mehrzweckstock bewaffnet. Ab hier gehen die Schilderungen auseinander: Während die Polizisten angeben, ihre Stöcke nur gebraucht zu haben, um die Arme des Arrestanten nach hinten zu bringen (was nicht gelang), sagte der Arrestant selber, er sei wahllos und mehrmals mit den Stöcken in den Leib geschlagen worden. Zwei Arrestanten, welche die Szene beobachtet hatten, machten ebenfalls widersprüchliche Aussagen: Einer wollte gesehen haben, dass die Polizisten wie auf einen Sandsack eingeschlagen hätten, der andere will keine Schläge beobachtet haben. Die Auseinandersetzung wurde beendet, als ein weiterer Polizist hinzutrat, der über das Arztzeugnis informiert war. Ein Arzt stellte am gleichen Tag am Oberbauch des Arrestanten eine sog. Prellmarke und eine «Druckdolenz links im Milzbereich» fest. Wenige Tage später schilderten Aufseher des Bezirksgfängnisses Affoltern, der Bauch des Arrestanten habe sich grün, rot und blau verfärbt.
Der Richter ging zwar davon aus, dass die Polizisten den Gewalteinsatz verharmlosten, der Arrestant auf der anderen Seite «im wesentlichen» richtig ausgesagt habe. Der Arrestant habe mehr Schläge erhalten, als die Angeklagten zugeben. Das Wort «Schläge» sei aber zu relativieren, zu denken sei an nicht gravierende Stösse im Rahmen eines Gerangels. Der Einsatz sei deshalb in der konkreten Situation verhältnismässig gewesen. Selbst wenn die Gewalt objektiv zu weit gegangen sein sollte, könne den Polizisten subjektiv kein Vorwurf gemacht werden, sagte der Richter in seiner Begründung. Es gebe keine Hinweise darauf, dass die Angeklagten andere Absichten gehabt hätten, als ihren Auftrag ordnungsgemäss auszuführen. (TA / NZZ 28. Mai 1998)

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