Bulletin Nr. 22; September 1998

Sonntagsspaziergang zum Flughafengefängnis

Am Sonntag, den 26. Juli 1998, demonstrierten ca. 50 Personen vor dem Flughafengefängnis Kloten. Einerseits galt ihr Besuch dem chilenischen Flüchtling Patricio Ortiz, der seit einem Jahr von der Schweizer Polizei festgehalten wird, um ihn an die chilenischen Kollegen ausliefern zu können. Im Sommer des letzten Jahres hatte Ortiz in der Schweiz ein Asylgesuch gestellt. Umgehend informierten die Schweizer Behörden die chilenischen Behörden und gaben ihnen den Tip, doch ein Auslieferungsbegehren zu stellen. Ortiz sitzt in Kloten I, dem Untersuchungsgefängnis auf dem Flughafengelände. Da liegt es auf der Hand, auch Kloten II – dem Ausschaffungsgefängnis – einen Besuch abzustatten. Ein 5 mal 2 Meter grosses Transparent wurde auf fast 10 Metern Höhe in die Baumkronen gegenüber dem Knast gehängt. Den Reden wurde intensiv zugehört. Als Knaller krachten und Sprechchöre ertönten, erhob sich ein grosser Lärm aus dem Gefängnis. So heftig wie noch nie zuvor riefen die Gefangenen die Parolen mit, lärmten mit allen möglichen Gegenständen, streckten Füsse durch die Fenster. Schliesslich vertrieben Flughafenpolizisten in Schusswesten und mit Gummischrotgewehren die DemonstrantInnen.
Nach der Demonstration blieben laut Aussagen von Insassen die Zellentüren vier Tage geschlossen, nur für Arbeit und Spaziergang durften die Gefangenen raus. War das eine Disziplinarstrafe?
Bei einem Besuch in Kloten II äusserte sich ein Ausschaffungsgefangener von sich aus folgendermassen zum Sonntagsspaziergang: «It was great, thanks, bless you, we really enjoyed it.» (Es war grossartig, danke, wir haben uns wirklich sehr gefreut). Und auf die Frage nach den Disziplinarmassnahmen antwortete er: «Never mind, we have TV in the rooms, you know, anyhow, thanks very much to all this people who came». (Macht euch keine Gedanken darüber, wir haben TV in den Zellen, vielen Dank an alle, die gekommen sind).

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