Bulletin Nr. 18; August 1997

Zurück in den Kosovo um jeden Preis

Im letzten augenauf-Bulletin haben wir von Boja S. geschrieben, die 3 Monate in Ausschaffungshaft gesessen hatte. Nachdem sie – mangels Erfolg bei der Papierbeschaffung – wieder freigelassen werden musste, wurde sie weiterhin von der Polizei schikaniert. Dies trotz Ausschaffungsstopp für KosovoalbanerInnen bis Ende August dieses Jahres. Ihr nach der Haftentlassung gestelltes Asylgesuch wurde innerhalb eines Monats abgelehnt. Fortan lebte sie in dauernder Angst vor einer erneuten Verhaftung. Zu Recht, wie sich herausstellen sollte.

Kurz nachdem die Ausreisefrist nach ihrem abgelehnten Asylantrag abgelaufen war, tauchte die Polizei wiederum beim Verwandten auf, bei dem Boja lebte, um sie zu verhaften. Sie war jedoch gerade nicht anwesend.
Auf Nachfrage erläuterte die Polizei, dass sie Boja ausschaffen wollten und dies jetzt auch könnten. Denn inzwischen hätten sie Papiere beschafft und zudem sei Boja der generellen Fristerstreckung für Leute aus dem Kosovo nicht unterstellt. Es gibt zwei Gründe, aufgrund deren AsylbewerberInnen von der Fristerstreckung ausgenommen werden können: Straffälligkeit und die Deklarierung des Gesuchs als nachgeschoben. Das BFF beurteilte das Asylgesuch von Boja als nachgeschoben, da sie es erst nach der Entlassung aus der Ausschaffungshaft gestellt hatte. Dass ihr jedoch nach ihrer Verhaftung von der Kantonspolizei das Recht, einen Asylantrag zu stellen, verweigert wurde, kann Boja natürlich nicht beweisen. Die von der Polizei inzwischen beschafften «Papiere» bestehen lediglich aus einer Bestätigung der Identitätskarte durch das Konsulat.
Die Polizei sucht sie täglich bei ihrem Verwandten, doch Boja ist bei Bekannten untergekommen. Sie sieht inzwischen keine andere Möglichkeit mehr, als zurück in den Kosovo zu gehen, obwohl sie dort bedroht ist. Da sie unbedingt vermeiden möchte, nochmals in Ausschaffungshaft zu kommen, vereinbart sie einen Termin mit der Fremdenpolizei betreffend Ausschaffungsdatum. Damit möchte sie auch erreichen, dass die Polizei sie nicht mehr aufsucht.
Trotzdem erscheint die Polizei noch am selben Tag um Mitternacht bei ihrem Verwandten. Boja ist gerade dort und wird gleich verhaftet. Sie wird in das Bezirksgefängnis eines anderen Kantons gebracht, weil dort ein Strafverfahren wegen nicht bezahlter Raten gegen sie eingeleitet worden ist. Nach diesem Wochenende in Untersuchungshaft wird sie wieder zur Zürcher Kantonspolizei zurückgeschoben. Sie wird 3 Tage in der Kaserne in Ausschaffungshaft festgehalten, bevor sie nach Prishtina ausgeschafft wird.
Als ich sie kurz vor ihrer Ausschaffung noch besuchen kann, erzählt Boja, dass sie seit ihrer Verhaftung vor 8 Tagen nicht duschen konnte. Der Beamte, der den Besuch überwacht, fühlt sich äusserst generös, weil er veranlasst hat, dass sie vor der Ausschaffung noch duschen kann. Weil ihr der Besuchstermin falsch mitgeteilt worden war, hatte Boja den ganzen gestrigen Tag auf meinen Besuch gewartet und zum Schluss gedacht, dass er wohl doch nicht zustande kommt. Eine relativ nervtötende Situation, wenn frau nichts tun kann als in der Zelle zu sitzen, und Angst haben muss vor dem, was sie erwartet.
Zudem steht auf dem Papier mit dem 5-jährigen Landesverweis, der gegen Boja ausgesprochen worden ist, sie sei verheiratet, was unkorrekt ist. Der Beamte meinte, das sei doch egal, und erst nach längerer Auseinandersetzung erklärte er sich bereit, mit Stempel und Kugelschreiber (!) dies zu korrigieren. Abgesehen davon, dass dieser Umgang mit einem amtlichen Papier eher peinlich ist, könnte Boja auch reale Schwierigkeiten bekommen, falls sie z.B. heiraten und wieder in die Schweiz einreisen wollte.
Am nächsten Tag wird Boja ausgeschafft und kann den Flughafen von Prishtina nur deshalb unbehindert verlassen, weil Verwandte ihre Ankunft vorbereiten konnten, sprich Geld dafür bezahlt haben, dass sie nicht kontrolliert wird.
Ein paar Tage später flüchtet sie weiter in ein anderes Land, da sie im Kosovo dauernd mit einer Verhaftung mit unklaren Folgen rechnen muss.

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

Zurück zum Archiv

URL dieser Seite