Bulletin Nr. 17; Mai 1997

«Ich garantiere dir: In zwei Wochen bist du wieder zu Hause»

Über die Bedingungen der Ausschaffungshaft für Frauen ist fast nichts bekannt. Wo werden Frauen in Ausschaffungshaft festgehalten? Werden die internationalen Normen für Administrativhäftlinge von der Schweiz gegenüber Frauen eingehalten? Welche frauenspezifischen Probleme haben weibliche Ausschaffungshäftlinge? augenauf hat Boya S. kennengelernt, die in Ausschaffungshaft war.

 
Boja S. aus dem Kosovo...
wird zwei Tage nach der Einreise in die Schweiz in der Wohnung eines Verwandten von E. und J., zwei Kantonspolizisten, verhaftet. Sie sagt ihnen dabei, dass sie Asyl beantragen wolle. Darauf meinen die, sie solle das vergessen, das bringe nichts. Überhaupt habe sie gar nicht das Recht, den Antrag zu stellen, da sie illegal eingereist sei. Sie komme jetzt in Ausschaffungshaft, und von da werde sie in Kürze in den Kosovo zurückgeschafft.
Die beiden bringen sie ins Propog, wo sie sieben Tage bleiben muss. Es ist für sie eine schlimme Zeit. Die Aufseher sind mehrheitlich Männer, von denen sie dauernd beschimpft wird. Die erste Möglichkeit zu duschen und in den Spazierhof zu gehen, hat sie erst am fünften Tag. Dazu kommt, dass das Essen einfach ungeniessbar ist.
Nach dem Propog wird Boja S. in die Frauenabteilung des Bezirksgefängnisses Dielsdorf gebracht, wo Frauen in Ausschaffungshaft sitzen. Hier versucht sie, sich Papiere zu beschaffen, was schlussendlich nicht möglich ist. Ihr abgelaufener Pass wird von Belgrad nicht verlängert, und auch Reisepapiere stellen sie ihr nicht aus. Die Kantonspolizei fragt beim Konsulat in Zürich nach; ohne ‘Erfolg’. So wird sie nach drei Monaten ohne gültige Papiere und mit der Auflage, das Land in 48 Stunden zu verlassen, aus der Ausschaffungshaft entlassen.
Daraufhin stellt Boja S. – ohne Geld und nur mit der Kopie des abgelaufenen Passes – den Asylantrag in Basel. Von da wird sie für drei Wochen in die Empfangsstelle Chiasso gebracht und anschliessend der Gemeinde Thalwil zugeteilt. Dort sagen sie ihr, dass sie auch ausserhalb des Zentrums wohnen könne. Bedingung sei, dass jemand bereit sei, sie aufzunehmen und für sie aufzukommen. Ausserhalb des Zentrums kriege sie keine finanzielle Unterstützung. Seither lebt Boja S. bei einem Verwandten und seiner Familie.
Einen Monat später wird sie dort von E. und J., den zwei Kantonspolizisten, aufgesucht. Da sie nicht anwesend ist, hinterlässt ihr E. einen Termin, wann sie sich bei ihm in der Kaserne zu melden habe. Als sie zum genannten Zeitpunkt nach E. fragt, ist er nicht anwesend. J. «nimmt sich dann ihrer an». Dieser meint, sie müsse in zwei Tagen in den Kosovo zurückkehren. Zusätzlich versucht er sie mit der Behauptung einzuschüchtern, das Konsulat habe jetzt die Papiere besorgt; gezeigt hat er sie ihr nicht. Als Boja S. ihm entgegenhält, dass sie den Asylantrag gestellt habe und der Entscheid noch hängig sei, brüllt er, sie bekomme sicher kein Asyl. Und sie solle das mit der Fremdenpolizei besprechen, ihn gehe das nichts an. Ohne Erklärung sperrt er sie im Propog ein. Als J. sie nach fünf Stunden rauslässt, sagt er, er garantiere ihr, dass sie in zwei Wochen wieder zurück in den Kosovo müsse. Was sie überhaupt alle hier in der Schweiz machten.
Am selben Tag erhält sie den negativen Asylentscheid. Das BFF hat innerhalb eines Monats entschieden, nur einige Tage nach der zweiten Befragung. Boja S. geht zur Beratungsstelle für Asylsuchende, um sich über ihre verbleibenden Möglichkeiten zu informieren. Von dort wird sie an die Freiplatzaktion weiterverwiesen. Hier erfährt sie, dass für Leute aus dem Kosovo ein Ausschaffungsstop bis Ende August dieses Jahres besteht. Dieser Beschluss lindert oder entschärft die Situation von Boja S. keineswegs. Denn aufgrund ihrer Erfahrungen mit der Polizei hier lebt sie – trotz des Ausschaffungsstops – in ständiger Angst. Sie rechnet jeden Tag damit, dass die zwei Polizisten – oder auch andere – bei ihr auftauchen und sie aus irgendwelchen Gründen wieder verhaften.
Boja S. kann sich nicht mehr vorstellen, im Kosovo zu leben. Zum einen hat sie keinen Kontakt mehr zu Leuten dort, denn vor dem jetzigen Aufenthalt hier hat sie schon einige Jahre in der Schweiz gelebt. Zum anderen ist sie im Kosovo sehr bedroht. Als sie nach der Scheidung den B-Ausweis hier abgeben musste, lebte sie für drei Monate bei ihren Eltern im Kosovo.
In dieser Zeit hat die Polizei sie dreimal vorgeladen. Sie ist mit Fragen konfrontiert worden wie zum Beispiel, wieso sie mit einem Kroaten verheiratet sei, was sie in der Schweiz mache, wieso sie ihre Ferien nicht im Kosovo verbringe etc. . Seit sie wieder hier ist, hat die Polizei sie zweimal bei ihren Eltern gesucht. Mit der Bemerkung, die werde schon wieder kommen, sind sie abgezogen.
 
 
Stellungsnahme der SFH vom 3. März 1997 zu den Ausschaffungen in den Kosovo:
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe hält an ihrer ... Überzeugung fest, dass zum jetzigen Zeitpunkt keine zwangsweisen Rückschaffungen abgewiesener Kosova-albanischer Asylsuchender in die «Bundesrepublik Jugoslawien» erfolgen dürfen. Aufgrund der in Kosova herrschenden Situation, die sich in den vergangenen Monaten erneut zugespitzt hat, muss geschlossen werden, dass zwangsweise Rückschaffungen unzulässig sind.
In Kosova besteht nicht nur eine Situation allgemeiner Gewalt und systematischer Menschenrechtsverletzungen durch das serbische Regime. In den letzten Monaten haben sich auch extra-legale Hinrichtungen gehäuft. Willkürliche Massenverhaftungen von politisch und menschenrechtlich engagierten Personen wurden vorgenommen. ... Auf all diese Umstände nimmt das geplante Rückübernahmeabkommen, ..., in keiner Weise Rücksicht. Im Vordergrund steht viel-mehr die Durchsetzung von Wegweisungsentscheiden, um so die Glaubwürdigkeit der schweizerischen Asylpolitik zu verbessern. ...


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