Bulletin Nr. 17; Mai 1997

Nach der Ausschaffungshaft gehen die Schikanen weiter – zwei Beispiele

Der Angolaner Fernandez (Name geändert) sass 8 Monate im Ausschaffungsgefängnis Kloten. Seine Rückschaffung nach Angola gelang der Kantonspolizei nicht. Er kam deshalb, einen Monat bevor die Höchstfrist für Ausschaffungshaft verstrich, am 20. Februar 1997 frei. Die Fremdenpolizei unterliess es, Fernandez eine schriftliche Bestätigung seiner Entlassung auszuhändigen. Er wurde einzig mit etwas Arbeitslohn, seinen wenigen Sachen und der Aufforderung, das Land umgehend zu verlassen, auf die Strasse gestellt.
Fernandez meldete sich bei einem augenauf-Mitglied. Dieses erfuhr aus Zufall am Schalter der Fremdenpolizei, dass Fernandez eine schriftliche Bestätigung seiner Entlassung brauche. Dies nicht zuletzt deshalb, weil auf der Haftentlassungsverfügung steht, Fernandez müsse sich am 19. März bei der Fremdenpolizei melden. Die Verfügung wurde Fernandez schliesslich fünf Tage nach seiner Entlassung ausgehändigt. Ein zuständiger Beamter meinte noch, dass «es eben nicht für alle Entlassenen auch eine Verfügung gebe».
Gemäss der Entlassungsverfügung muss Fernandez den schriftlichen Nachweis erbringen, dass er sich um eine Ausreise aus der Schweiz bemüht. Zu diesem Zwecke hat er der angolanischen Auslandsvertretung geschrieben. Er trägt jetzt eine Kopie dieses Schreibens immer bei sich. Auch die Kopie seiner Entlassungsverfügung hat er immer dabei.
Irgendeine Form von Ausweis besass Fernandez nicht, als er am 12. März vom Zürcher Sozialamt einen Scheck bezog, um sich die nötigsten Sachen zu kaufen (Papierlose haben Arbeitsverbot). Den Scheck des Sozialamtes musste Fernandez in der nächsten Kantonalbank beim Helvetiaplatz einlösen. Kaum hatte er sein Geld bezogen, wurde er – hundert Meter von der Bank entfernt – von zwei velofahrenden Polizisten angehalten. Das war um 16.30 Uhr. Fernandez zeigte den Polizisten alle Dokumente, die er zu dem Zeitpunkt besass, seine Haftentlassungsverfügung, seinen Brief an die angolanische Botschaft, das Budget, welches ihm das Sozialamt erstellt hat und aufgrund dessen er einen Scheck bekommen hatte. Die Polizisten funkten der Zentrale. Von dort hiess es, er wäre im Polizeicomputer Ripol gespeichert. Grund: Wegweisungsverfügung.
Die Entlassungsverfügung aus der Ausschaffungshaft sollte für die Polizisten eigentlich die Sache klar machen; sie hätten ihn wieder laufen lassen können. Doch nein. Das eben von der Bank bezogene Geld, dessen Herkunft er mit Sozialamtsbudget und Quittung beweisen konnte, veranlasste die Polizisten zur Spekulation, dass es sich bei dem Geld womöglich um Drogengeld handeln könnte. Sie legten Fernandez in Handschellen und liessen ihn auf die Hauptwache Urania transportieren. Dort angekommen liess man ihn zuerst einmal eine halbe Stunde in Handschellen auf einer Bank sitzen.
Darauf las ein Polizist seine Papiere und kommentierte diese mit der Bemerkung «alles Scheisse». Er müsse wieder zurück in die Ausschaffungshaft, hiess es, weil er die Schweiz immer noch nicht verlassen habe. Fernandez musste sich ausziehen, seine Kleider wurden durchsucht. Ein Polizist befragte ihn. Danach musste er ein auf deutsch abgefasstes Protokoll unterschreiben. Er weigerte sich anfänglich, der Polizist drohte ihm jedoch Schläge an. Er unterschrieb, ohne den Text zu verstehen. Fernandez durfte nicht telefonieren. Er gab der Polizei die Nummer einer Bekannten, diese wurde jedoch von der Polizei nicht verständigt. Man steckte ihn ohne Schuhe in eine kalte Zelle. Dort sass er drei Stunden. Danach kamen zwei Polizisten in die Zelle und drohten ihn zu schlagen, weil er angeblich in der Zelle an die Wand geschrieben hätte. Schliesslich wurde Fernandez in die Kaserne zur Kantonspolizei verlegt. Er fragte die drei ihn begleitenden Polizisten, wohin es gehe. Sie antworteten, er solle schweigen, es gehe zum «Affenplatz». Fernandez hatte Hunger, und fragte nach Essen. Man antwortete ihm, es gebe erst am nächsten Tag zu essen. Man sperrte ihn im Keller der Kaserne in eine dunkle Zelle, zusammen mit einem anderen Mann.
Fernandez kam um 23.15 Uhr wieder frei. Das besagte augenauf-Mitglied hatte von seiner Verhaftung über einen Zeugen Wind bekommen und während Stunden immer wieder bei der Kantons- und Stadtpolizei angerufen. Nachdem man sie zuerst mehrmals anlog und die Verhaftung abstritt, wurde schliesslich doch zugegeben, dass Fernandez inhaftiert sei. Wahrscheinlich nur wegen Druck von aussen war Fernandez nicht noch länger völlig willkürlich und ohne konkreten Grund in Haft.
Fernandez hat bis heute keinen Ausweis. Eine Verhaftung, wie die erlebte, muss er jederzeit wieder gewärtigen.
Nachtrag: Am 21. April um 23 Uhr ist Fernandez erneut von einer Turicum-Truppe der Zürcher Stadtpolizei angehalten worden. Obwohl er seine Lage mit Dokumenten beweisen konnte, wurde er in Haft genommen und auf die Urania geführt. Am 22. April um 14 Uhr wurde er wieder entlassen.
 
Bern – Kloten – Bern – ??
George (Name geändert) kommt aus Gabun. Er sass 8 Monate in Ausschaffungshaft in Kloten. Am 10 März, morgens um sieben Uhr, wurde er vor die Türe gestellt, ohne Haftentlassungsverfügung, mit wenig Geld und Kleidern. Er meldete sich bei einer augenauf-Aktivistin. George war vorher in einer Berner Gemeinde angemeldet. Von dort bekam er auch vor der Haft Sozialhilfe. Als er sich bei dieser Gemeinde wieder meldete, war die Überraschung gross. Die zuständigen Beamten wussten nichts von Georges Ausschaffungshaft, sie vermuteten, er sei untergetaucht und meldeten ihn ab.
Deshalb weigerte sich die Gemeinde jetzt wieder Sozialhilfe auszuzahlen. Auf Druck der augenauf-Vertreterin stellte die Fremdenpolizei Zürich eine Haftentlassungsverfügung aus. Diese ist inzwischen eingetroffen, mit unleserlicher Unterschrift des verantwortlichen Sachbearbeiters und ohne den unteren Teil des Papiers, wo normalerweise die entlassenen Gefangenen den Erhalt zu quittieren haben. Von wem George jetzt Sozialhilfe bekommt, ist zur Zeit noch Gegenstand behördlicher Zuständigkeitsstreitereien.

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