Bulletin Nr. 16; Januar 1997
Polizeiübergriffe auf der Gasse:
Die Gewöhnung an die Schläge
Wir haben uns im Oktober wieder vermehrt auf der Gasse rumgehört, um
herauszufinden, in welchem Masse immer noch Polizeiübergriffe dort
stattfinden. Dazu haben wir Drogenkonsumierende und SozialarbeiterInnen
angesprochen und nachgefragt. Das Resultat ist erschreckend.
Polizeiübergriffe scheinen bei den Betroffenen schon fast zur Normalität zu
gehören. Auch BewohnerInnen erzählen auf Nachfrage von Übergriffen, doch
auch sie haben sich daran gewöhnt, protestieren kaum und machen das
Gesehene nur selten von sich aus öffentlich.
Hier eine Auswahl von Berichten:
- Einer Frau wird am 8. Oktober, etwa um 17.00 Uhr an der Neufrankengasse
im Kreis 5 von einem Polizisten an die Brüste gegriffen. Sie wehrt sich
dagegen, darauf schlägt er mit seinen Fäusten auf ihre Brust, versetzt ihr
einen Faustschlag ins Gesicht und ohrfeigt sie zweimal. Kurz darauf wird
eine andere Frau fast am selben Ort von einer Polizeibeamtin abgetastet.
Die Frau meint zur Beamtin, sie solle nicht so „geil“ an ihr
„herumgrapschen“. Die Beamtin schlägt die Frau darauf mit dem Knie zwischen
die Beine, so dass die Frau aufschreit und zu Boden fällt. Darauf wird sie
von einem Polizisten an den Haaren hochgezogen und mit dem Knüppel
geschlagen. Diese Vorfälle haben mehrere Zeugen verfolgt. Niemand wollte
jedoch im Nachhinein etwas damit zu tun haben. Auch ein Securitaswächter
war Zeuge. Zuerst hatte er sich stark über die Polizei aufgeregt und sie
als Nazis bezeichnet. Im Nachhinein wollte er jedoch aus Angst um seinen
Job, wie er sagte, nichts gesehen haben.
- Zwei Drogenkonsumenten werden am Bellevue von der Polizei kontrolliert.
Per Funk werden ihre Daten aus dem Polizeicomputer angefordert. Dabei
erfahren die Polizisten, dass der eine der beiden homosexuell ist. Sie
beschimpfen ihn und nehmen ihn auf die Wache mit. Dort schlagen sie ihn.
- Ein Polizeihund beisst einen Mann bei einer Ausweiskontrolle: Ein
Polizist hat den Hund an der Leine. Der Mann beschwert sich über die
Kontrolle. Als Antwort lässt der Polizist den Hund von der Leine. Der Hund
fügt dem Mann eine grosse Bisswunde zu, dessen Jacke wird zerrissen.
- Ein Drogenkonsument liegt am 19. Oktober auf einer Parkbank im
Kasernenareal. Die Stadtpolizei kontrolliert ihn. Ein Polizist tritt ihn in
den Rücken, auf den Kopf und in die Geschlechtsteile. Er wird in
Handschellen gelegt. Als er versucht wegzurennen, wird er auf den Boden
geworfen. Auf dem Polizeiposten finden Polizisten Drogen auf ihm. Er muss
einen Rapport unterschreiben, die Menge der beschlagnahmten Drogen sind
darauf nicht eingetragen. Er wird jetzt für wesentlich mehr Drogen haftbar
gemacht, als er nach seiner Aussage tatsächlich auf sich hatte.
- Ein Drogenkonsument wird am 25. Oktober beim Fixen in einem Hinterhof im
Kreis 5 von einem Securitaswächter gesehen. Dieser beschimpft ihn und droht
mit dem Schlagstock. Er hält den Drogenkonsumenten fest und ruft die
Polizei. Noch vor dem Eintreffen der Polizei beginnt der Securitas mit der
Durchsuchung des Konsumenten. Als die Polizei eintrifft, beschimpfen sie
den Drogenkonsumenten und bedrohen ihn. Als der eine Polizist bei der
weiteren Durchsuchung eine Spritze findet, schlägt er den Drogenkonsumenten
mit dem Handrücken ins Gesicht. Die Kleider des Konsumenten werfen die
Polizisten auf den nassen Boden. Sie drohen ihm, ihn in die Limmat zu werfen.
- Ein Mann schläft am Dienstag 5. November in einem Hauseingang. Eine
Polizeistreife aus dem Kreis 5 weckt ihn mit Fusstritten. Sie legen ihn in
Handschellen. Dabei ziehen sie diese so stark an, dass der Mann eine offene
Fleischwunde davonträgt. Der Gefühlsnerv des Daumens wird dabei ebenfalls
verletzt.
- Der Brasilianer A. wird am 5. November bei einer Razzia verhaftet und vom
Stadtpolizisten T. in seiner Wohnung und auf der Polizeiwache Urania
mehrmals geschlagen: In Untersuchungshaft will A. augenauf schreiben. Das
wird ihm von einem Kantonspolizisten verwehrt. A. hat gegen den Polizisten
T. Anzeige erstattet. T. streitet die Vorwürfe von A. bei der Einvernahme ab.
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