Bulletin Nr. 14; Juli 1996
Auszüge aus einem Gespräch mit einer Sozialarbeiterin, die mit
Drogenabhängigen arbeitet:
Ist dir bekannt, dass bei Kontrollen von DrogenkonsumentInnen, bei
Geldbeschlagnahmungen nie Quittungen ausgegeben werden?
Nie ist falsch. Aber in der Regel werden keine Quittungen ausgestellt. Was
ich aber noch die grössere Schweinerei finde ist, dass bei grösseren
Beträgen nur ein Teil beschlagnahmt wird, dafür aber auch keine Quittung
ausgestellt wird. Das habe ich am Letten massenhaft erlebt, heute wird es
mir noch mindestens alle 14 Tage zwei, dreimal erzählt.
Gibt die Polizei eine Begründung, warum keine Quittung ausgestellt wird?
Ich habe von einem Zeugen gehört, dass die Polizei sage: “Schau du hast
noch Bussen offen. Wir nehmen jetzt den und den Betrag.” Immer ohne
Quittung.
Nach meiner Erfahrung sagen die Beamten das jeweils auf dem Polizeiposten,
nicht auf der Strasse. Auf der Strasse sagen die Polizisten aber immer
wieder, das Geld sei sowieso gestohlen. Auf dem Posten wird aber schon
argumentiert, jemand habe noch Bussen offen und sein/ihr Geld würde gleich
für die Bussen beschlagnahmt. Aber auch dann sollte der/die Betroffene eine
Quittung bekommen.
Hast du schon mal gehört, dass die gleiche Busse bei der nächsten
Verhaftung dann wieder vorgebracht worden ist?
Wenn eine Busse registriert ist, ist sie registriert, das dauert ewig. Wenn
auf dem Kreiskommando mal eine Busse registriert ist, kann das noch nach
Jahren vorgebracht werden.
Das Geld wird also zwar kassiert, aber die Busse nicht gestrichen?
Wenn Geld konfisziert wird, dann müsste die Polizei entweder eine Quittung
machen oder das Geld zurückgeben. Wenn Geld zur Begleichung einer Busse
abgenommen wird, dann müsste auf der Quittung der Zweck des Geldes vermerkt
werden. Das machen die nie, ausser wenn sie merken, dass jemandes Vater
Jurist oder so ist. Dann wird eventuell korrekt eine Quittung ausgestellt.
Verlangen denn Leute, denen Geld abgenommen wird, überhaupt noch eine
Quittung?
Nein, ganz selten. Es gibt ein paar, die sie verlangen. Das ist aber eine
Lotterie. Einige PolizistInnen werden dann kleinlaut und anständig und
rücken eine Quittung raus. Wenn du Pech hast, hast du aber einfach nochmal
eine Faust im Gesicht.
Das sagen unsere ZeugInnen auch. Wenn du heute eine Quittung verlangst,
musst du damit rechnen "eis an Latz” zu bekommen. Mittlerweile verlangen -
so hörten wir - die meisten gar keine Quittung mehr. Frauen sowieso nicht,
weil sie Angst haben.
Ich kenne viele Leute, die bei einer Kontrolle nichts mehr sagen, weil sie
Angst vor der Faust im Gesicht haben.
Werden Wertgegenstände nach Kontrollen zurückgegeben?
Das ist schwieriger. Die meisten Leute, die ich kenne, haben gar keine
Wertgegenstände. Was immer weggenommen wird sind Messer. Auch
Taschenmesser, die für viele noch eine Bedeutung haben, zum Beispiel weil's
ein Geschenk war, werden systematisch als Waffen konfisziert. Eine Zeit
lang sind auch die Uhren konfisziert worden, aber das hat offenbar
aufgehört. Aber alle elektronischen Geräte wie Walkman etc. werden
systematisch mit der Begründung konfisziert, sie seien sowieso gestohlen.
Oder es wird mit Hehlerei argumentiert.
Auf der Gasse braucht man diesen Begriff eher nicht. Deshalb sagen auch die
Polizisten einfach, es sei gestohlene Ware. Die Sprache der Polizisten auf
der Strasse und auf dem Posten ist sowieso unterschiedlich. Auf der Strasse
wird die Gassensprache gesprochen. Auf dem Posten hat es Vorgesetzte und
Kollegen, da wird wieder “normal” gesprochen.
Welche Beträge werden etwa ‘beschlagnahmt’?
Meistens handelt es sich um Beträge zwischen 50 und 300 Franken. Aber auf
dem Letten sind manchmal auch mehrere Tausend Franken beschlagnahmt worden.
Auch wenn die Polizei behauptet, es handle sich um Erlös aus dem Deal,
müsste eine Quittung ausgestellt werden. Und sicher müsste dann der ganze
Betrag beschlagnahmt werden und nicht nur ein Teil.
Das passt zu dem, was wir gehört haben. Wenn jemand kontrolliert wird
und diese Person hat Geld in sogenannter kleiner Stückelung bei sich, wird
dieses Geld gezählt. Bei der Rückgabe des Geldes fehlt dann oft bis zur
Hälfte des Betrages.
Die Polizisten wollen das ganze Kleingeld einfach nicht. Die nehmen die
Banknoten. Das Kleingeld wird aber nicht zurückgegeben, sondern auf die
Strasse geworfen.
Wie laufen heute die Konfiszierungen von Drogen? Haben die Polizisten
eine Waage dabei und wägen die beschlagnahme Menge ab?
Da komme ich heute noch nicht draus. Gewogen wird nichts. Wenn Stoff
beschlagnahmt wird, müssen die Beamten ihn in einen Plastiksack stecken und
diesen samt den Personalien des Besitzers zum Kommando bringen. Ich habe
beobachtet, dass bei einer Massenkontrolle irgendwelches Gift in
irgendwelche Säcke hineingeworfen wurde.
Uns hat ein Betroffener erzählt, es werde manchmal sogar noch Dope von
Seiten der Polizei hinzugesteckt. Es gibt Leute, die sagen, dass sich ihr
Dope bei der Kontrolle auf wundersame Weise vermehrt habe.
Ich habe beobachtet, dass die Polizei aus einem Sack, den sie dabei hatten,
Dope in einen anderen hineinwarfen. Man bekommt von der Polizei keine
Auskunft, wohin das Dope geht und wie die ganzen Drogen-Konfizierungen vor
sich gehen. Ob es weiterverwendet wird oder was auch immer – es herrscht
ein grosses Schweigen. Ich habe das Gefühl, dass auch die obersten Beamten
nicht recht wissen, wie und was da läuft.
Hast Du schon einmal vom umgekehrten Fall gehört: Dass Stoff konfisziert
wurde, im Protokoll dann aber deutlich weniger auftauchte?
Ich kenne nur wenige Fälle, die unterdessen aber gerichtsnotorisch geworden
sind. Auf der Gasse wird mir das zwar immer wieder erzählt, aber ich kann
nicht beurteilen, ob das wahr ist oder nicht. Es braucht einer auch nicht
unbedingt zu lügen, sondern er oder sie kann sich auch einfach täuschen.
Ich kann das also nicht unbedingt bestätigen. Vorstellen kann ich es mir
aber schon.
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