Bulletin Nr. 13; Mai 1996
AsylbewerberInnen kritisieren "unmenschliche" Unterkunft
Die BewohnerInnen des Durchgangszentrums Adliswil haben einen Brief mit der
Auflistung ihrer Kritikpunkte an die Zentrumsleitung, die
Asyl-Organisation, an amnesty international und weitere Institutionen
verschickt. Weiter haben sie die Presse gerufen, d.h. sie sind an die
Öffentlichkeit gelangt. Bis es zu dieser Reaktion kommt, muss einiges
vorausgegangen sein. Nicht unbedingt ein einschneidendes Ereignis, eher
eine zermürbende Vielzahl von täglichen Erlebnissen, die das Fass zum
Überlaufen bringen.
Ein am Vortag des Protests anwesender Besucher schildert die Stimmung im
Zentrum: Die Containersiedlung liegt eingeklemmt zwischen Strasse und
Fluss, ausserhalb der Ortschaft. Meine Anwesenheit fällt auf; viele
erstaunte Blicke und freundliche Aufmerksamkeit werden mir
entgegengebracht, d.h. Besuche von aussen sind selten, jedoch sehr
erwünscht. Eine nervöse Stimmung, eine Spannung herrscht; die Luft ist zum
Schneiden. Ich will zum Nachtessen bleiben und melde mich an. Befremdet
stelle ich fest, dass ich meinen Namen angeben und erklären muss, wie ich
hierhergekommen bin. Später erfahre ich, dass Besucher üblicherweise ihren
Ausweis abgeben müssen, der dann kopiert wird. Aussenkontakte werden also
überwacht.
Während des Nachtessens eskaliert die Situation. Ein Teammitglied hat
offenbar die Nerven verloren, und beleidigt auf rassistische Weise eine
Frau. Sie wollte zum trockenen, verkochten Reis in einer Nebenküche eine
Sauce zubereiten, was der Angestellte verhinderte.
Aus langen Gesprächen mit mehreren BewohnerInnen wird klar, dass der
Protest vordergründig gegen das schlecht gekochte Essen, die engen Zimmer,
die Verletzung des Postgeheimnisses und die Isolation gerichtet ist. Klar
wird auch, dass die Flüchtlinge durchaus bereit sind, Regeln des
Zusammenlebens und Einschränkungen in ihrer jetzigen Lage zu akzeptieren.
Das Problem ist der Stil der Behandlung: Bevormundung, schikanöse
Kontrollen, Sticheleien, Überheblichkeit. Ihr Anliegen ist "ein würdiger
Umgang in ihrer schwierigen Situation."
Wie ist die Reaktion der Asyl-Organisation auf den Protestbrief?
Deren Chef, Rolf Widmer, wird im TA zitiert: "Die Lebensumstände im Heim
sind normal. Bewusst wollte man die Flüchtlinge nicht verwöhnen." Und dann
noch der merkwürdige Satz: "Das Durchgangsheim hat die Aufgabe, die
Asylbewerber mit den Alltagsverhältnissen in der Schweiz vertraut zu machen."
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