Bulletin Nr. 12; Januar 1996

Berichte über die Repression gegen ausländische Frauen im Kreis 4

Was bei uns in der letzten Zeit so läuft, vor allem in den Kreisen 4 und 5 ist einmal mehr eine extreme Verschärfung der andauernden Polizeipräsenz. Seit der Lettenschliessung und mit der aktuellen Situation im Kreis 4 findet eine permanente Hetze gegenüber AusländerInnen statt. Offiziell wird das von den Stadtoberen damit begründet, dass sie eine weitere offene Drogenszene verhindern, den Frauenhandel bekämpfen und das "Rotlichtmilieu" aufräumen wollen. Davon betroffen sind aber alle, die nicht das "Durchschnitts-SchweizerInnen-Aussehen" haben. Ausländische Frauen mit Touristenstatus stehen unter einem sehr hohen Druck. Das neue Zwangsmassnahmengesetz erlaubt die Erpressung der Frauen durch Leute, die im Milieu tätig sind (Spekulanten, Zuhälter, Schweizerbürger, etc.).
Ausländische Frauen sind so unter Druck gesetzt, dass sie Angst haben, Anzeige zu erstatten,
- wenn sie misshandelt werden
- wenn sie offener Gewalt ausgeliefert sind
- wenn sie aus der Wohnung rausgeschmissen werden, ohne das bezahlte Depot zurückzuerhalten
- wenn sie von Schweizer Bürgern erpresst werden
- wenn sie angepöbelt werden.
Die Situation hat sich sehr zugespitzt, und hat auch die Präventionsarbeit beeinflusst. Frauen haben Angst, Präservative bei sich zu tragen, da diese von der Polizei als ein Beweismittel benützt werden könnten.
Ausländische Frauen werden wegen ihrem Status von vornherein schlecht behandelt. Die Ausbeutung findet auf vielen Ebenen statt: Polizei, Spekulanten, Milieu, Freier ...
 
Gedächtnisprotokolle von Gesprächen mit Betroffenen
Frau X. ist eine Geschäftsfrau aus Westafrika; sie sagte, sie komme manchmal nach Europa, um Waren einzukaufen und diese in ihrem Land wieder zu verkaufen.
Diesmal ist sie auch in die Schweiz gekommen; sie bekam ein Visa gültig im Mai 1995
In die Schweiz kam sie Anfang Mai.
Sie war meistens in der französichen Schweiz, aber sie hatte auch eine Bekannte in Zürich, die Mitte Monat ein grosses Fest für ihren Geburtstag organisiert hatte und auch Frau X. eingeladen hatte.
Diese Bekannte wohnt im Langstrassenquartier. Frau X. besuchte sie vor dem Fest und hatte fast alles Gepäck bei sich. Sie blieb dann für das vorbereitete Fest.
Das Fest hat früh angefangen, und gegen Abend lag Frau X. auf einem Sofa, da sie schon etwas getrunken hatte, die Musik war ziemlich laut, und dann klopft die Polizei (Sittenpolizei) an die Türe. Alle Frauen, die anwesend waren, hatten schweizer Pässe, Frau X. war die einzige Touristin.
Sie hat nicht mehr verstanden was passierte: Die Polizei trieb die Frauen zusammen, ohne dass sie ihr Gepäck mitnehmen konnte, alles ging so schnell, dass sie kaum reagieren konnte.
Sie erinnerte sich nur daran, dass sie ihre Sachen mitnehmen wollte, aber die Polizei warf sie ins Treppenhaus. Frau X. redet kein Deutsch.
Grund der Verhaftung sei Verdacht auf Prostitution. Die Sittenpolizei habe bemerkt, dass Frau X. vom Balkon aus vom 4. Stock die Männer auf der Strasse anmachte.
In diesem Haus gibt es erstens keinen 4. Stock, zweitens hat die Sitte gesagt, dass es gegen Abend war als sie dies bemerkten (von der Strasse her, was die eindeutige Identifikation praktisch unmöglich macht).
Sie ist dann verhaftet worden, war 5 Tage in Ausschaffungshaft und ist dann ausgeschafft worden.
Ihr ganzes Gepäck ist in der Schweiz geblieben und erst nach 2 Monaten ist die Sittenpolizei nochmals in die Wohnung gegangen, um einen Teil des Gepäcks mitzunehmen. Im Gepäck waren auch Dokumente, Geld, Schlüssel der Wohnung in Paris und viele andere Sachen. Frau X. beklagte sich wegen ihrer Situation und der Behandlung durch die Polizei während der Ausschaffungshaft: so konnte sie sich nicht waschen, meistens hat man mit ihr nur deutsch geredet und sie konnte nicht verstehen, was mit ihr passieren sollte. Nach den 5 Tagen haben sie sie mit Handschellen zum Flugzeug begleitet, kurz vor dem Abflug, als das Flugzeug schon voll war.
Sie hat sich geschämt. Neben ihrem Sitzplatz war ein Mann, der sofort als sie auf ihrem Platz sass, die Stewardess fragte, ob er nicht einen anderen Platz haben könne, weil sie so stank.
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Mitte November, um 17 Uhr, in der Wohnung von Frau M. im Kreis 4. Ein Mann in Zivil hatte sich an der Türe nach den Preisen erkundigt. Dann hatte der Mann gefragt, ob er in die Toilette gehen könne und rief von dort andere Polizisten.
Plötzlich waren 8 bis 10 Polizisten in der Wohnung und sofort herrschte ein totales Chaos. Ohne Begründung, und ohne Durchsuchungsbefehl gezeigt zu haben, durchsuchten sie die ganze Wohnung.
In der Wohnung waren 5 bis 6 Frauen anwesend, die alle mitgenommen wurden. Die Frauen, die einen schweizer Pass hatten, sind nach kurzer Zeit wieder freigelassen worden. 2 andere Frauen, die einen französichen Pass hatten, mussten bleiben: Eine Frau ist zwei Tage später, um 10 Uhr freigelassen worden, die andere Frau musste bis um 15 Uhr bleiben. Alle Frauen beklagten sich über die Behandlung durch die Polizisten.
Diese haben die Wohnung in einem solchen Durcheinander gelassen, dass sogar die Teppiche herausgerissen und die Schränke kaputt waren ...
Die Mieterin, eine schwarze Frau mit schweizer Pass, war nicht anwesend an diesem Tag, aber als sie zurückkam, konnte sie nicht mehr in ihre Wohnung gehen. Sie hatte auch keine Schlüssel. Sie hatte sich bei den Nachbarinnen informieren müssen, was passiert war. sie musste dann zur Sittenpolizei gehen um ihre Sachen zurückzuerhalten.
Es scheint, dass die Polizei viele Sachen mitgenommen hat, u.a. Schmuck von einigen Frauen und viel Geld.

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