Bulletin Nr. 12; Januar 1996

Erinnerungen an den Waid-Bunker

Folgende Beschreibung der Zustände im zur Zeit geschlossenen Ausschaffungs-Bunker beim Waidspital haben wir von einem 23-jährigen Algerier erhalten. Er war danach noch 6 Monate in Ausschaffungshaft, konnte jedoch bis heute nicht ausgeschafft werden.
Ich bin Mitte Januar 95 in die Schweiz eingereist, um für Asyl zu fragen. Wenige Tage danach bin ich in Zürich verhaftet worden, ich weiss nicht, wo, ich hatte keine Zeit, Zürich zu kennen. Auch hatte ich keine Zeit, Freunde zu finden, um mich wegen Asyl zu erkundigen. Sie haben mich an den Händen gefesselt und in die alte Kaserne gebracht, weil ich keine Papiere habe. Dort habe ich jemanden getroffen, ich weiss nicht, es scheint ein Richter gewesen zu sein. Dieser hat mir 21 Tage gegeben. Dann haben sie mich in dieses Soussol gebracht, wie hiess das? Waid? Dort haben sie mir nochmals 9 Tage dazugegeben, weil danach das neue Gesetz kam, mit den 9 Monaten. Ich habe ca. 24 Tage in diesem Soussol verbracht, ich weiss nicht mehr genau. Dann haben sie dieses Gefängnis geschlossen und alle in das neue Gefängnis (Propog) gebracht. Das war wohl so am 1. Februar, doch, das muss so gewesen sein, weil, ich kam weider vor den Richter, der mir erklärte, dass sie jetzt das neue Gesetz anwenden würden. Zuerst 3 Monate, dann sechs. Und ich würde jetzt gut daran tun, mich um meine Papiere zu bemühen. Ich sagte: "Warum? ich bin schon verurteilt worden für einen Monat, das habe ich abgesessen." Und ich habe gelernt, dass das jetzt das neue Gesetz ist.
Also, dieses Soussol, das war wie ein Friedhof, unerträglich. Es gab 10 Zellen, in jeder Zelle waren 8 - 10 Leute. Es hat immer gestunken, weil, wenn jemand auf die Toilette musste, diese war in der Zelle, und es gab keine Türe, nur so eine Art Paravant. Wir hatten Atemprobleme, weil es war künstliche Belüftung, keine richtige Luft. Kein Fenster, nichts. Wenn man am Morgen aufwachte, hatte man Blut in der Nase. Und ich hatte Haarausfall, viel. Morgens, um 6 Uhr ging das Radio an, dann wussten wir, dass es morgen ist. Das Radio ist ununterbrochen gelaufen, bis 22 Uhr. Nein, nicht laut. Immer deutsch. Aber ein Afrikaner, der etwas deutsch sprach, sagte, es müsse Dialekt sein, er verstehe gar nichts. Und das Licht brannte immer 24 Stunden lang. In der Zelle waren alles Ausländer, alle Nationen, arabische Leute, afrikanische, albanische, alles. Nein, keine Schweizer, unmöglich.
Jeden Tag führten sie uns spazieren, 10-15 Minuten, da konnte man rauchen, 3 Zigaretten. Wir wurden zu zweit aneinander gefesselt, und sie waren auch noch mit Huden, obwohl man sowieso keine Chance hatte, zu fliehen. Denn es gab überall Gitter, auch über unseren Köpfen und auch hatte es einen Wärter, oben, der hatte eine Waffe, ich weiss nicht, was für eine. Sie machten dies, ich weiss nicht, moralische Folter, damit wir reden und Papiere beschaffen.
Und sonst waren wir immer in dieser Zelle, immer. Es gab nichts. Manchmal brachten sie Zeitungen, in verschiedenen Sprachen. Manche hatten so einen farbigen, etwas härteren Umschlag, daraus haben wir Spielkarten gemacht, nur so, um die Zeit zu verbringen. Und auf den Tisch haben wir eine Art Würfelspiel gezeichnet, die Würfel haben wir aus der Seife gemacht. Das war alles. Immer dasselbe, immer.
Der Arzt kam zweimal pro Woche. Man musste lügen, wenn man Tabletten wollte, um zu schlafen, schlafen, um all dem ein wenig zu entgehen. Man sagte: "Ich bin Konsument, von Haschisch oder anderem, sniffen oder so, dann bekam man Tabletten, aber maximum eine Woche lang, und nachher war alles noch schlimmer.
Einmal hatte ich sehr grosse Zahnschmerzen. Zuerst bekam ich Tabletten, das nützte nichts. Und also haben sie mich eines Morgens, 8 Uhr ins Spital gegebracht, um den Zahn zu ziehen. Nein, nein, sie reparieren uns keine Zähne, sie ziehen sie aus, so hat es mir der Doktor gesagt. Sia haben mich wieder gefesselt, also die Hände auf den Rücken, und auch die Füsse, ich musste schauen, wie ich laufen konnte. Noch dazu hat mich der Begleiter immer am Arm gehalten. Ich sagte ihm: "Warum hältst du mich so, lass doch los, es ist doch sowieso unmöglich zu fliehen, so gefellselt. Aber er hat nur gesagt: Das ist Vorschrift. Und alle Leute im Spital haben geschaut. Als der Zahn gezogen war, haben sie mich zurückgebracht und in eine Zelle allein gesteckt, nicht zu den anderen. Ich hatte viel Blut im Mund und wollte spucken, aber nicht auf den Boden. Ich habe geläutet, um für ein Gefäss zu fragen. Ich habe geläutet und geläutet, aber sie wollten nicht antworten. Dann kam mal jemand, der hat angefangen, mich zu beschimpfen, auf deutsch, ich habe die Gesten verstanden und die agressive Art, es war so, als sagte er: "sei still, dreckiger ich weiss nicht was, scheisse-Arschloch", und so habe ich dann auf den Boden spucken müssen, viel Blut. Und als sie kamen, um mich in die Zelle zurückzubringen, haben sie gefragt: "Warum hast du das gemacht?" und sie sagten, ich sei ein Lügner, als ich erklärte, dass ich für ein Gefäss gefragt habe. Dann habe sie einen Lappen und ein Gefäss gebracht, und ich solle still sein und das aufputzen, wenn ich in meine Zelle, zu den anderen zurück wolle.
Duschen konnte man ungefähr alle 5 Tage einmal, immer 4 Leute gleichzeitig. Sie zwangen uns, alle Kleider auszuziehen, also, wir waren nackt. Wir haben mit ihnen gesprochen, wir haben gesagt: "Wir sind Moslems, wir können das nicht." Aber sie haben nicht gehört, wir durften die Slips nicht anbehalten.
Das Essen war nicht schlecht, aber sie haben unsere Religion nicht respektiert, immer haben sie Schwein gebracht. Und weil dann Ramadan war - und da wollten wir wirklich kein Schwein essen - haben wir einen Hungerstreik gemacht, 5 Tage lang. Aber sie, sie haben nichts gemacht für uns, keine Reaktion. Sie haben gesagt,: "Wenn ihr nicht essen wollt, dann esst ihr halt nicht ..." Und sie haben weiterhin Schwein gebracht. Und wir hatten keine Möglichkeit, irgendwie an die Oeffentlichkeit zu gelangen. Briefe schreiben? ja, ich weiss nicht, man konnte schreiben, für den Doktor oder so. Also, für mich, dieses Gefängnis: - c'était le cimetière de l'homme - wir wurden wie Tiere behandelt.

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